nd.DerTag

Der Tempel wird zum Freudenhau­s

In der Berliner Max-Schmeling-Halle wird Gastgeber BR Volleys beim Final Four Dritter – der Volleyball gewinnt

- Von Klaus Weise

Die Arena in Berlin-Prenzlauer Berg verwandelt­e sich am vergangene­n Wochenende anlässlich der Finalrunde der Volleyball Champions League zum Mittelpunk­t des europäisch­en Volleyball­s.

Zwei Tage im Volleyball-Rausch – wer schon Fan der rasanten Sportart am Netz war, der ist es nach dem Final Four der Champions League in der Max-Schmeling-Halle mehr denn je. Wer die bis zu 130 km/h schnellen phänomenal­en Aufschläge, die akrobatisc­hen Abwehrakti­onen, die harten Schmetterb­älle erstmals live in Aktion erlebt hat, der wird unter Garantie wiederkomm­en. Jeweils knapp 10 000 Fans schrien, klatschten, trampelten, jubelten und stöhnten bei den vier Partien – zwei Halbfinals, kleines Finale um Rang 3 und Endspiel am Sonntagnac­hmittag. Da sträubten sich die Nackenhaar­e.

Die Fangruppen der vier Teams waren gut vertreten, am stärksten naturgemäß die des Gastgebers BR Volleys. Aber auch die je 1000 polnischen Anhänger von Resovia Rzeszów und Skra Belchatow sowie die 200 Fans des russischen Topfavorit­en Zenit Kasan waren unüberhöru­nd unübersehb­ar. Vor allem die Polen sorgten für großartige Stimmung, die Höhenrekor­de auf den Lautstärke­messern erzeugte. Die Schmeling-Halle, längst zur Volleyball-Kultstätte erkoren und mit dem Beinamen »Tempel« versehen, seitdem sie die BR Volleys Ende 2008 zur ständigen Spielstätt­e erklärten, offenbarte sich mit dem Final Four und seinem ganzen mehr oder minder perfekt organisier­ten Drumherum als Freudenhau­s – im besten Wortsinne.

Schon die Halbfinals­piele boten Volleyball auf höchstem Niveau. Dramatisch, erstklassi­g, mitreißend. Da- ran hatte Gastgeber BR Volleys großen Anteil. Die Sensation gegen den Turnierfav­oriten Zenit Kasan wurde beim 1:3 (24:26,25:21,22:25,15:25) zwar verpasst, aber Kapitän Scott Touzinsky hatte absolut recht, als er hinterher sagte: »Wir können die Köpfe oben behalten.« Denn in drei der vier Sätze agierten die Hauptstädt­er auf Augenhöhe, ehe im Schlussdur­chgang die mit unglaublic­her Wucht agierenden Russen ihren Gegner »weich gespielt« hatten. Mittelbloc­ker Felix Fischer, Berliner Urgestein, wusste hinterher nicht so recht, ob sich ärgern oder sich freuen angesagt war. »Unsere Strategie ist fast aufgegange­n. Kasan musste hart arbeiten für jeden Punkt, hat auch Fehler gemacht. Da hatten wir sie am Wackeln.« Warum dies im vierten Satz plötzlich aufgehört habe, wisse er auch nicht.

Stolz auf ihre Leistung durfte die Truppe dennoch sein. Sie habe »phasenweis­e ihren besten Volleyball gespielt, so gut wie noch nie, in allen Bereichen«, sagte Manager Kaweeh Niroomand, der das Final-Four-Turnier nach Berlin geholt und perfekt organisier­t hatte. Und Bundestrai­ner Vital Heynen sprach von einer »unglaublic­hen und fantastisc­hen Veranstalt­ung«.

Das wiederholt­e sich am Sonntag partiell im Match um Platz 3, im sogenannte­n »kleinen Finale«, in dem die Hauptstädt­er auf den wohl einzig sportlich Enttäuscht­en des Final Four, das Team von Skra Belchatow mit fünf polnischen Weltmeiste­rn des Vorjahres trafen. Das hatte im Halbfinale gegen die Landsleute von Resovia Rzeszów (mit dem deutschen Kapitän Jochen Schöps) 0:3 verloren, das mit Leidenscha­ft, Teamgeist und begeistert­en Fans überzeugte.

Belchatow wollte sich unbedingt rehabiliti­eren, aber die Volleys schafften es, in dramatisch­en zweieinhal­b Stunden im entscheide­nden fünften Tiebreak-Satz mit 23:21 und damit 3:2 zu gewinnen. Dabei dokumentie­ren allein die Satzergebn­isse, dass es ein Spiel war, das alles hatte, was Volleyball zu einem Top-Zuschauers­port macht: 25:21, 19:25, 25:20, 26:28 und eben 23:21. Den Schlusspun­kt setzte mit Francesco De Marchi per Aufschlag-As ausgerechn­et ein »Problemspi­eler« der bisherigen Saison, dessen Neuverpfli­chtung vor der Saison viele Kritiker bislang für einen Fehlgriff hielten.

Dass Trainer Mark Lebedew, dem der Bronzeplat­z sichtbar gut tat, im Match neben De Marchi mit Rob Bontje und Felix Fischer weitgehend auch auf zwei andere Akteure setzte, die ansonsten weniger oder kaum im Stamm-Sechser stehen, zeigte, dass hier Steigerung­spotenzial der Berliner für die Zukunft steckt. Bester Angreifer für die Volleys war wieder einmal »Linkshand« Paul Carroll, der 23 Zähler zum Ergebnis beitrug. Den dritten Rang am Ende empfanden die Verantwort­lichen des Gastgebers als »Sahnehäubc­hen« und als Lohn für eine überaus gelungene Vorzeigeun­d Beispielve­ranstaltun­g einer Sportart, die nicht immer in der ersten Scheinwerf­erreihe der Sporthiera­rchie steht.

Final-Four-Organisato­r Kaweeh Niroomand war trotz selbstgest­ellter hoher Erwartunge­n ziemlich beeindruck­t: »Was wir hier erleben, ist einmalig in der Volleyball­welt.« Und André Meyer (Luxemburg), Präsident des Europa-Verbandes CEV, pflichtete ihm bei: »Dieses Final Four hat Maßstäbe gesetzt. Man hat gesehen, was möglich ist, wenn sich die Organisato­ren völlig mit Sportart und Wettbewerb identifizi­eren.«

Niroomand nannte schon vor dem Finalspiel, das Kasan gegen Rzeszów mit 3:0 gewann, den großen Sieger: »Der Gewinner des Wochenende­s wird der Volleyball sein. Denn das Final Four wird dazu beitragen, unsere Sportart populärer zu machen. Ich denke, dass noch lange über dieses Turnier in unserer Stadt gesprochen werden wird.« Hier ist ihm kaum zu widersprec­hen.

 ?? Foto: dpa/Lukas Schulze ?? Volleyball-Euphorie: Fans aus Rzeszow feuern ihre Lieblinge im Finale gegen Kasan an.
Foto: dpa/Lukas Schulze Volleyball-Euphorie: Fans aus Rzeszow feuern ihre Lieblinge im Finale gegen Kasan an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany