Der Tempel wird zum Freudenhaus
In der Berliner Max-Schmeling-Halle wird Gastgeber BR Volleys beim Final Four Dritter – der Volleyball gewinnt
Die Arena in Berlin-Prenzlauer Berg verwandelte sich am vergangenen Wochenende anlässlich der Finalrunde der Volleyball Champions League zum Mittelpunkt des europäischen Volleyballs.
Zwei Tage im Volleyball-Rausch – wer schon Fan der rasanten Sportart am Netz war, der ist es nach dem Final Four der Champions League in der Max-Schmeling-Halle mehr denn je. Wer die bis zu 130 km/h schnellen phänomenalen Aufschläge, die akrobatischen Abwehraktionen, die harten Schmetterbälle erstmals live in Aktion erlebt hat, der wird unter Garantie wiederkommen. Jeweils knapp 10 000 Fans schrien, klatschten, trampelten, jubelten und stöhnten bei den vier Partien – zwei Halbfinals, kleines Finale um Rang 3 und Endspiel am Sonntagnachmittag. Da sträubten sich die Nackenhaare.
Die Fangruppen der vier Teams waren gut vertreten, am stärksten naturgemäß die des Gastgebers BR Volleys. Aber auch die je 1000 polnischen Anhänger von Resovia Rzeszów und Skra Belchatow sowie die 200 Fans des russischen Topfavoriten Zenit Kasan waren unüberhörund unübersehbar. Vor allem die Polen sorgten für großartige Stimmung, die Höhenrekorde auf den Lautstärkemessern erzeugte. Die Schmeling-Halle, längst zur Volleyball-Kultstätte erkoren und mit dem Beinamen »Tempel« versehen, seitdem sie die BR Volleys Ende 2008 zur ständigen Spielstätte erklärten, offenbarte sich mit dem Final Four und seinem ganzen mehr oder minder perfekt organisierten Drumherum als Freudenhaus – im besten Wortsinne.
Schon die Halbfinalspiele boten Volleyball auf höchstem Niveau. Dramatisch, erstklassig, mitreißend. Da- ran hatte Gastgeber BR Volleys großen Anteil. Die Sensation gegen den Turnierfavoriten Zenit Kasan wurde beim 1:3 (24:26,25:21,22:25,15:25) zwar verpasst, aber Kapitän Scott Touzinsky hatte absolut recht, als er hinterher sagte: »Wir können die Köpfe oben behalten.« Denn in drei der vier Sätze agierten die Hauptstädter auf Augenhöhe, ehe im Schlussdurchgang die mit unglaublicher Wucht agierenden Russen ihren Gegner »weich gespielt« hatten. Mittelblocker Felix Fischer, Berliner Urgestein, wusste hinterher nicht so recht, ob sich ärgern oder sich freuen angesagt war. »Unsere Strategie ist fast aufgegangen. Kasan musste hart arbeiten für jeden Punkt, hat auch Fehler gemacht. Da hatten wir sie am Wackeln.« Warum dies im vierten Satz plötzlich aufgehört habe, wisse er auch nicht.
Stolz auf ihre Leistung durfte die Truppe dennoch sein. Sie habe »phasenweise ihren besten Volleyball gespielt, so gut wie noch nie, in allen Bereichen«, sagte Manager Kaweeh Niroomand, der das Final-Four-Turnier nach Berlin geholt und perfekt organisiert hatte. Und Bundestrainer Vital Heynen sprach von einer »unglaublichen und fantastischen Veranstaltung«.
Das wiederholte sich am Sonntag partiell im Match um Platz 3, im sogenannten »kleinen Finale«, in dem die Hauptstädter auf den wohl einzig sportlich Enttäuschten des Final Four, das Team von Skra Belchatow mit fünf polnischen Weltmeistern des Vorjahres trafen. Das hatte im Halbfinale gegen die Landsleute von Resovia Rzeszów (mit dem deutschen Kapitän Jochen Schöps) 0:3 verloren, das mit Leidenschaft, Teamgeist und begeisterten Fans überzeugte.
Belchatow wollte sich unbedingt rehabilitieren, aber die Volleys schafften es, in dramatischen zweieinhalb Stunden im entscheidenden fünften Tiebreak-Satz mit 23:21 und damit 3:2 zu gewinnen. Dabei dokumentieren allein die Satzergebnisse, dass es ein Spiel war, das alles hatte, was Volleyball zu einem Top-Zuschauersport macht: 25:21, 19:25, 25:20, 26:28 und eben 23:21. Den Schlusspunkt setzte mit Francesco De Marchi per Aufschlag-As ausgerechnet ein »Problemspieler« der bisherigen Saison, dessen Neuverpflichtung vor der Saison viele Kritiker bislang für einen Fehlgriff hielten.
Dass Trainer Mark Lebedew, dem der Bronzeplatz sichtbar gut tat, im Match neben De Marchi mit Rob Bontje und Felix Fischer weitgehend auch auf zwei andere Akteure setzte, die ansonsten weniger oder kaum im Stamm-Sechser stehen, zeigte, dass hier Steigerungspotenzial der Berliner für die Zukunft steckt. Bester Angreifer für die Volleys war wieder einmal »Linkshand« Paul Carroll, der 23 Zähler zum Ergebnis beitrug. Den dritten Rang am Ende empfanden die Verantwortlichen des Gastgebers als »Sahnehäubchen« und als Lohn für eine überaus gelungene Vorzeigeund Beispielveranstaltung einer Sportart, die nicht immer in der ersten Scheinwerferreihe der Sporthierarchie steht.
Final-Four-Organisator Kaweeh Niroomand war trotz selbstgestellter hoher Erwartungen ziemlich beeindruckt: »Was wir hier erleben, ist einmalig in der Volleyballwelt.« Und André Meyer (Luxemburg), Präsident des Europa-Verbandes CEV, pflichtete ihm bei: »Dieses Final Four hat Maßstäbe gesetzt. Man hat gesehen, was möglich ist, wenn sich die Organisatoren völlig mit Sportart und Wettbewerb identifizieren.«
Niroomand nannte schon vor dem Finalspiel, das Kasan gegen Rzeszów mit 3:0 gewann, den großen Sieger: »Der Gewinner des Wochenendes wird der Volleyball sein. Denn das Final Four wird dazu beitragen, unsere Sportart populärer zu machen. Ich denke, dass noch lange über dieses Turnier in unserer Stadt gesprochen werden wird.« Hier ist ihm kaum zu widersprechen.