Bergung der Leichen hat Vorrang
Lufthansa will an die Angehörigen bis zu 50 000 Euro Soforthilfe für jedes Absturzopfer zahlen
Sechs Tage nach dem Absturz eines Germanwings-Flugzeugs in Frankreich geht das Rätselraten über die Hintergründe weiter. Bergungskräfte suchen nach dem zweiten Flugschreiber.
Neben der Bergung der Opfer des Flugzeugabsturzes steht die Suche nach dem zweiten Flugschreiber im Mittelpunkt der Ermittlungen. Von den auf ihm gespeicherten Flugdaten erhofft man sich genauere Erkenntnisse darüber, was an Bord der Gemanwings-Maschine geschah, bevor sie am vergangenen Mittwoch an einem Bergmassiv nordöstlich von Marseille zerschellte und 150 Menschen in den Tod riss. Zwar gilt als wahrscheinlich, dass der Co-Pilot Andreas L. den Airbus absichtlich zum Absturz brachte, absolute Gewissheit kann aber erst die Auswertung der technischen Flugdaten bringen. Nach wie vor untersuchen die französischen Ermittler auch die Möglichkeit eines technischen Defekts der Maschine. »Derzeit kann die Hypothese eines technischen Fehlers nicht ausgeschlossen werden«, sagte der Chef der in Düsseldorf eingesetzten französischen Ermittler, am Samstag dem französischen Sender BFMTV. Die Ermittlungen gingen voran, es fehlten aber noch »technische Details«.
Wie am Sonntag bekannt wurde, kam der Airbus bei seinem Sinkflug auch Europas größtem Atomforschungszentrum in Cadarache relativ nahe, in dem mehrere tausend Mitarbeiter die militärische und zivile Anwendung des Atoms erforschen. Der Einflug in die umgebende Sperrzone LF-P 10 ist streng verboten. Unklar ist noch, ob ein am Unglückstag aufgestiegener Mirage-Kampfjet nur für Such- oder auch Abwehrzwecke unterwegs war.
Die Suche nach den sterblichen Überresten und Trümmerteilen, die weit verstreut in einem mehrere Hektar großen Gelände liegen, gestaltet sich extrem schwierig. Absoluten Vorrang hat die Bergung der Toten. »Es gibt die Hoffnung, das bis Ende kommender Woche zu machen, das ist für uns die Dringlichkeit«, sagte Staatsanwalt Brice Robin am Sonntag. Man hoffe, die Leichen und Leichenteile in der nächsten Woche bergen zu können, erst danach sollen die Wracktei- le gesichert werden. Bis Montag soll ein Weg zur Absturzstelle gebaut werden, um die Bergung zu erleichtern.
Hunderte Leichenteile wurden bereits per Helikopter zu Tal gebracht, wo sie gerichtsmedizinisch untersucht werden. Wie viele noch zwischen Felsen und Geröll liegen, kann Patrick Touron, stellvertretender Leiter des Instituts für kriminaltechnische Untersuchungen der französischen Gendarmerie nicht einschätzen. Der Einsatz sei für ihn und seine Leute außergewöhnlich und extrem belastend. Bei der Identifizierung der Opfer werden Daten aus den Heimatländern der Opfer, Informationen von Zahnärzten und Röntgenbilder sowie DNA-Analysen und Vergleiche mit Angehörigen genutzt. Nach Angaben des Staatsanwalts von Marseille, Brice Robin, wurden bislang die DNA von 78 Menschen gesichert.
Wie ein Germanwings-Sprecher am Freitag mitteilte, können die Angehörigen der Absturzopfer mit einer fi- nanziellen Soforthilfe rechnen. »Lufthansa zahlt bis zu 50 000 Euro pro Passagier, zitierte der »Tagesspiegel« den Sprecher.
Am 17. April soll im Kölner Dom mit einem staatlichen Trauerakt und einem Gottesdienst der 150 Opfer des Absturzes gedacht werden. Zuvor wird es am 1. April im westfälischen Haltern, wo 16 Schüler und zwei Lehrerinnen betrauert werden, einen öffentlichen Gottesdienst für die Verstorbenen geben.