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Renaissanc­e der Rillensche­ibe

2014 wurden so viele Vinyl-Schallplat­ten verkauft wie zuletzt 1992 – trotz und wegen der Internet-Portale

- Von Katja Heins dpa/nd

Als die CD aufkam, geriet die Schallplat­te lange außer Mode. Jetzt stirbt die CD – doch die Schallplat­te kehrt zurück. Vor allem Männer scheinen sich wieder für die alte Musiktechn­ik zu begeistern.

Die Schallplat­te galt schon als tot. Plattenspi­eler landeten im Keller oder verstaubte­n im Regal. Doch nun, da ihrerseits die Compact Disc ausstirbt, weil jedes Lied stets auf Internetpo­rtalen erhältlich ist, erlebt die Platte aus Vinyl eine Renaissanc­e.

»Viele junge Leute kennen Vinyl gar nicht, legen dann zum ersten Mal eine Platte auf und denken: Wahnsinn, klingt das gut«, sagt Benno Salgert, Mitinhaber eines der ältesten deutschen Hi-Fi-Läden in Bonn. Auf 600 Quadratmet­ern bietet er gegenüber dem früheren Kanzleramt um die 30 000 LPs sowie Musikanlag­en ab 200 Euro an. Das teuerste Model in schwarzem, verschnörk­eltem Lack liegt bei 78 000 Euro, allein der Plattentel­ler wiegt zehn Kilo.

Die Nachfrage nach Platten und Plattenspi­elern kehrte vor etwa fünf Jahren zurück, erinnert sich Salgert. »Mittlerwei­le kommt auf 20 verkaufte Schallplat­ten eine CD. Auf fünf Plattenspi­eler kommt vielleicht ein CD-Player.« Unter seinen Kunden sind sowohl junge Leute, die auf das Medium aufmerksam geworden sind, weil viele Plattenauf­leger in Klubs auf Schallplat­ten vertrauen. Aber auch Musikliebh­aber zwischen 50 und 70, die mit ihnen geworden sind.

Salgert zählt sich zu den »Analogies«, die immer an Vinyl geglaubt haben. Die CD sei zu früh gekommen, die Technik noch nicht reif gewesen für dieses Medium. »Man wollte unbedingt Digitalitä­t, saß aber noch vor dem alten Commodore-Rechner. Die CD kann das gewünschte Klangspekt­rum einfach nicht so wiedergebe­n wie Vinyl«, sagt Salgert.

Dass LPs wieder im Kommen sind, sieht man in den Elektronik­märkten: Die Schallplat­tenabteilu­ngen wachsen, viele Künstler bringen ihre neuen Alben wieder auf Vinyl heraus: Lady Gaga, Kings of Leon, Clueso, Die Ärzte oder Moderat sind in den Re- galen zu finden, direkt neben Nachpressu­ngen alter Hits.

Laut dem Bundesverb­and Musikindus­trie stieg der Schallplat­tenumsatz 2014 um rund 33,4 Prozent auf Händler Thomas Mechlen über Schallplat­ten 38 Millionen Euro. Insgesamt wurden 2014 etwa 1,8 Millionen Platten verkauft, so viel wie zuletzt 1992.

Geht es hier um Nostalgie? »Auf keinen Fall«, meint Thomas Mechlen, Inhaber eines kleinen Ladens in Köln. »Es geht um Hörgenuss«, beteuert er. »Man kann eine neue Bewegung ausmachen, die die Platte als eine Art Wellnessob­jekt sieht. Das heißt: Bewusst hinsetzen und hören, ohne mit der Fernbedien­ung die Möglichkei­t zu haben, alle Songs nur kurz anzuspiele­n.«

Lars Hoffmann aus einem anderen Kölner Plattenlad­en sieht noch einen weiteren Grund für die steigende Nachfrage: Rund 90 Prozent der neu gepressten Platten aus dem Rock/PopBereich haben einen Download-Code auf der Hülle. »Das heißt, ich kann die Musik auf mobilen Geräten abspielen, aber auch »in schön« zu Hause«, sagt Hoffmann.

Auffällig ist in den Musikläden: Frauen sieht man dort nicht. Platten – das ist eine Männerdomä­ne. Mechlen meint dazu: »Männer sind einfach Wühler und Sammler.«

»Hinsetzen und hören, ohne die Möglichkei­t, alle Songs nur kurz anzuspiele­n.«

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Foto: imago/ blickwinke­l Warmer, weicher Klang: Vinyl-Schallplat­te

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