Krisenkurs hat Griechen »Rückgrat gebrochen«
Außenminister Kotzias beklagt Folgen der Troikapolitik / ESM-Chef fordert Fortführung der Kürzungen
Es ist die irre Logik der Krisenpolitik der Gläubiger: Es wird die Fortsetzung eines Kurses gefordert, von dem bekannt ist, welche Opfer dieser in Griechenland gefordert hat.
Berlin. Der Chef des Euro-Rettungsschirms ESM, Klaus Regling, hat von Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras gefordert, nicht zu verspielen, was die Gläubiger als Reformerfolge ansehen. Ansonsten könnten die »Opfer der Griechen alle umsonst gewesen sein«, sagte Regling der »Bild«. Er behauptete, Griechenland sei »als Folge schmerzlicher Reformen« bis Ende 2014 »auf einem guten Weg« gewesen. So seien Erzeugnisse billiger geworden, neue Jobs seien entstanden, und Investoren hätten wieder griechische Staatsanleihen gekauft. Tsipras »sollte diesen erfolgreichen Reformkurs fortsetzen«, erklärte Regling.
Implizit wirft Regling damit der SYRIZA-geführten Regierung vor, für die gegenwärtige Lage von Wirtschaft und Sozialstaat in Griechenland verantwortlich zu sein. So richtig es ist, dass sich einige ökonomische Parameter verbessert haben, so richtig bleibt, dass auch die Vorgängerregierung nichts gegen die verheerenden Folgen der Kürzungsdiktate hatte tun können. Sowohl das Haushaltsdefizit als auch die Schuldenquote waren 2014 höher ausgefallen, als es die Gläubiger erwartet hatten. Von den sozialen Folgen ganz zu schweigen.
Während Regling die dafür verantwortliche und von den Gläubigern verlangte Politik lobte, beklagte der griechische Außenminister Nikos Kotzias die Folgen der Wirtschaftskrise in seinem Land. »Die Maschine, der Apparat, die Antriebskraft, die uns aus der Krise bringen können, ist der Mensch. Und diesem Menschen haben wir das Rückgrat gebrochen«, sagte Kotzias dem »Kölner Stadt-Anzeiger«. Den Griechen »fehlt jeder Optimismus, jede Perspektive – sie träumen nicht mehr. Das ist unsere größte Niederlage«.
Die Gläubiger von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds fordern von der seit Januar amtierenden Athener Regierung im Gegenzug für die Freigabe der bisher blockierten letzten Tranche über 7,2 Milliarden Euro aus einem laufenden Kreditprogramm umfassende Maßnahmen. Die Gläubiger po- chen auf Bedingungen, die SYRIZA nicht erfüllen will. Tatsächlich hat die Regierung in Athen immer mehr Zugeständnisse gemacht.
Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis sieht deshalb den Internationalen Währungsfonds am Zug. »Es ist höchste Zeit, dass die Institutionen, allen voran der IWF, die Kurve kriegen und sich mit uns einigen«, sagte er im Sender CNN. »Wir sind ihnen schon drei Viertel des Weges entgegengekommen, jetzt müssen sie uns ein Viertel entgegenkommen.«
Die Zeit wird derweil knapp: Griechenland muss im Juni in vier Raten knapp 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen, die erste Rate wird am 5. Juni fällig. Bisher hat Griechenland alle Rückzahlungen der wegen der Krise erhaltenen Kredite pünktlich erfüllt – während die Gläubiger seit August 2014 kein Geld mehr aus dem laufenden Kreditprogramm überwiesen haben.
»Wir sind ihnen drei Viertel des Weges entgegengekommen, jetzt müssen sie uns ein Viertel entgegenkommen.«
Yanis Varoufakis