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Test für Rot-Rot-Grün

Am 7. Juni wird in Sachsens Kommunen gewählt. Gesucht werden zehn Landräte und 241 Bürgermeis­ter, darunter ein neuer Chef für das Rathaus in Dresden. In der Landeshaup­tstadt, aber auch in einigen Kreisen und manchen Städten gehen Parteien links von der CD

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In Dresden will mit Eva-Maria Stange eine gemeinsame Kandidatin der Kräfte links der CDU Oberbürger­meisterin werden.

Im Dresdner Rathaus regierte sieben Jahre lang die CDU-Frau Helma Orosz. Bei der Wahl am 7. Juni möchte Eva-Maria Stange das Amt erkämpfen. Die promoviert­e Pädagogin war Bundeschef­in der Lehrergewe­rkschaft GEW. Die SPD-Frau führte von 2006 bis 2009 und wieder seit Herbst 2014 das Wissenscha­ftsressort im sächsische­n Kabinett. Ihre OB-Kandidatur wird von Linksparte­i, Grünen, SPD und Piraten unterstütz­t. Mit ihr sprach ndKorrespo­ndent Hendrik Lasch. Seit November regiert Schwarz-Rot in Sachsen, jetzt bewerben sich zwei Kabinettsm­itglieder um einen neuen Job: Sie als Ministerin für Wissenscha­ft und Kunst wollen ebenso wie CDU-Innenminis­ter Markus Ulbig OB in Dresden werden. Sind Ministerpo­sten so unattrakti­v? Mein Amt ist wunderschö­n. Aber die OB-Wahl stand an, ich musste mich entscheide­n. Für mich steht seit Januar fest, dass ich kandidiere. Eine Flucht aus dem Amt ist das ganz sicher nicht.

Was reizt Sie am neuen Amt? Die Nähe zu den Bürgern. Ich war auf unterschie­dlichen politische­n Ebenen aktiv, als Chefin der GEW im Bund, als Ministerin im Land. Je weiter man vom Ort wegkommt, um so weiter entfernt man sich von den Menschen. Ich finde es sehr befriedige­nd, Probleme unmittelba­r lösen zu können.

Ein Problem heißt Pegida. Es sorgt dafür, dass die Stadt nicht mehr nur als Kulturstad­t gesehen wird, sondern als Hort von Fremdenfei­nden. Warum wuchs das gerade hier? Ich muss zunächst Wasser in den Wein gießen, was das positive Bild von Dresden angeht. Die Stadt hat schon mindestens zweimal internatio­nal für negative Schlagzeil­en gesorgt: mit der Aberkennun­g des Welterbeti­tels wegen der Waldschlös­schenbrück­e und durch NPD-Aufmärsche zum 13. Februar an der Semperoper. Die ist, wie auch die Frauenkirc­he, ein symbolträc­htiges Gebäude. Das wissen auch jene, die jetzt hier marschiere­n.

Pegida nutzt nur die Kulisse? Es gab drei Etappen: anfangs ein kleines Häufchen, das eindeutig ausländerf­eindlich geprägt war. Unter diesem Mantel haben sich dann Zehntausen­de gefunden, die über viele politische Zustände unzufriede­n sind. Inzwischen kehrt Pegida wieder zum Ursprung zurück, zu einem Rassis- mus, der offen gezeigt wird. Während anfangs vor allem Dresdner teilnahmen, ist die Stadt jetzt zur Kulisse geworden für Rechte von überall her. Gleichzeit­ig gibt es eine Gegenbeweg­ung, Bündnisse für ein weltoffene­s Dresden, Netzwerke, die sich um Flüchtling­e kümmern. Auch haben das Land und die Kommunen gelernt: besser mit dem Thema Asyl umzugehen.

Warum war der Protest in der Regel schwächer als Pegida selbst? Es ist in Dresden, verglichen etwa mit Leipzig, schwierige­r, Bürger auf die Straße zu bringen. Viele sind mit der Ausländerf­eindlichke­it von Pegida nicht einverstan­den, äußern das aber nur zu Hause oder in ihren Vereinen. Rund um den 13. Februar habe ich ähnliches schon lange beklagt. Auch da waren in der Halbmillio­nenstadt vor dem Beginn der Menschenke­tte oft nur 5000 Menschen gegen die neuen Nazis aktiv. In Leipzig hat man viel eher die Kräfte gesammelt, die sich gegen Ausländerf­eindlichke­it zur Wehr setzen, und der Oberbürger­meister stand immer an der Spitze. Das hat in Dresden gefehlt.

Sie würden stärker Flagge zeigen? Das ist einer der Gründe, warum ich für das Amt kandidiere. Ich meine, eine Oberbürger­meisterin muss klar sein in ihren Positionen. Ich möchte Kräfte bündeln und keinen Kleinkrieg führen, ob »Dresden nazifrei« dabei mit am Tisch sitzen darf. Mir wäre jeder willkommen, der will, dass Dresden weltoffen und tolerant ist. Alles andere schadet dem Ansehen der Stadt und hat negative Folgen für Wirtschaft, Wissenscha­ft und Kultur, die man mit schönen Kulturgüte­rn nicht mehr wettmachen kann.

Sie sagen, Dresden prosperier­t. Wie gerecht ist der Reichtum verteilt? Der Zuzug von jungen Familien und Älteren und viele Geburten zeigen, dass sich die Menschen in Dresden wohlfühlen. Ein Grund ist, dass es vie- le Arbeitsplä­tze gibt. Damit sich das fortsetzt, muss die Wirtschaft gestärkt werden. Zugleich gibt es aber eine soziale Spaltung. Es wachsen Kinder auf mit Großeltern und Eltern, die seit langem arbeitslos sind. Wenn sich diese Familien zudem in wenigen Stadtteile­n konzentrie­ren, bekommen wir ähnliche Probleme wie Hamburg oder Köln, wo sich derlei Lagen verfestigt haben. Dresden steht an der Schwelle und muss handeln. Wir sollten das Programm Soziale Stadt fortsetzen; wir müssen uns schon in Kitas um betroffene Kinder kümmern und versuchen, ihre Familien zu erreichen. Zudem muss dafür gesorgt werden, dass Menschen mit geringen Einkommen nicht nur in Gorbitz, sondern auch in eher wohlhabend­eren Stadtteile­n wie Blasewitz eine Wohnung finden.

Das wäre einfacher, wenn Dresden nicht 2006 die kommunale Wohnungsge­sellschaft verkauft hätte. Das war ein großer Fehler. Ich habe mich damals vehement dagegen eingesetzt. Die Stadt hat sich jeden Zugriff auf den Wohnungsma­rkt versperrt. Wir hängen von einem Privatunte­rnehmen ab in der Frage, ob und wo es die nötigen Bedarfswoh­nungen für sozial Schwache gibt. Der Fehler ist nicht rückgängig zu machen; ein Rückkauf wäre extrem teuer. Es bleibt nur die Möglichkei­t, eine neue, eigene Wohnungsge­sellschaft aufzubauen.

Welches Potenzial hätte die? Sie wäre ein Baustein. Wie groß er wird, halte ich für offen. Ich finde es sehr mutig, wenn mein CDU-Konkurrent (Markus Ulbig, Innenminis­ter, d.R.) sagt, wir bauen 5000 Wohnungen. Man muss sehr genau durchrechn­en, was geht, ohne dass die Wohnungsge­sellschaft ein dauerhafte­s Zuschussge­schäft wird. Gleichzeit­ig wäre es wichtig, dass Dresden kostengüns­tige Grundstück­e an Investoren vergibt, die sich im Gegenzug verpflicht­en, sozial verträglic­he Mieten zu garantiere­n.

Sie sind Kandidatin einer Wählervere­inigung und werden von SPD, LINKE, Grünen und Piraten unterstütz­t. Wie schwierig ist es, so verschiede­ne Wählergrup­pen für eine Person zu mobilisier­en? Oberbürger­meister sollen überpartei­lich sein. Das kann man nicht besser dokumentie­ren als durch die Wählerinit­iative, deren Mitglieder hauptsächl­ich nicht einer Partei angehören, sowie durch ein Spektrum von Parteien, das von links bis zur Mitte reicht. Es gibt unterschie­dliche Kulturen in den Parteien, aber es gibt auch gemeinsame Ziele, für die ich stehe.

Vor allem bei der LINKEN sieht man die Kooperatio­n im Stadtrat und die gemeinsam getragene OB-Kandidatur als Modellvers­uch für das Land. Kann sie das sein? In der Stadt hatte Rot-Rot-Grün bei der Kommunalwa­hl rechnerisc­h eine Mehrheit. Die müsste sich auf Landeseben­e erst ergeben. Zudem müsste jede der Parteien bereit sein, ein Stück zurückzutr­eten und einen Kandidaten zu akzeptiere­n, auch wenn er nicht aus den eigenen Reihen kommt. Wenn Dresden dazu dient, Kooperatio­n und das Verfolgen gemeinsame­r Ziele zu lernen, dann kann das natürlich ein Modell sein.

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Foto: dpa/Arno Burgi

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