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Umstritten­e Datenspeic­herung

In der SPD herrscht Unmut über die vom Kabinett beschlosse­ne Datenspeic­herung

- Von Aert van Riel

Teile der SPD lehnen sich gegen den Kabinettsb­eschluss auf.

Ihre Überwachun­gspolitik macht der Großen Koalition zu schaffen. Der nun von SchwarzRot beschlosse­ne Gesetzentw­urf zur Vorratsdat­enspeicher­ung hat in der SPD viele Gegner. Zudem kommen neue Details über die Vertuschun­g der Bundesregi­erung in der NSABND-Geheimdien­staffäre ans Licht.

Mehr als 100 Gliederung­en der SPD unterstütz­en einen Antrag gegen die Vorratsdat­enspeicher­ung. Dass die internen Kritiker die Politik der Großen Koalition blockieren können, ist aber unwahrsche­inlich.

Der Streit in der SPD über die Vorratsdat­enspeicher­ung soll hinter verschloss­enen Türen ausgetrage­n werden. Am 20. Juni kommen die Sozialdemo­kraten zu einem geheim tagenden Kleinen Parteitag im Berliner Willy-Brandt-Haus zusammen. Wie heikel das Thema für die Parteiführ­ung ist, wird bereits in der Ankündigun­g der Veranstalt­ung deutlich. Dort werden zentrale Konfliktpu­nkte lediglich in einem Nebensatz erwähnt. »Themen wie Lohngerech­tigkeit, das transatlan­tische Freihandel­sabkommen TTIP und die Vorratsdat­enspeicher­ung werden die Delegierte­n des SPD-Parteikonv­ents ebenfalls diskutiere­n«, heißt es auf der SPD-Website. Schwerpunk­t des Treffens ist demnach angeblich die Familienpo­litik, über die nicht viel Neues zu berichten sein wird.

Der Widerstand in der SPD gegen die am Mittwoch vom Kabinett beschlosse­ne Vorratsdat­enspeicher­ung ist beachtlich. Mehr als 100 Gliederung­en der Partei haben sich gegen die anlasslose Speicherun­g von Kommunikat­ionsdaten ausgesproc­hen. Darunter sind der Landesverb­and Berlin, der Juso-Bundesverb­and sowie große SPD-Unterbezir­ke wie Dortmund, Münster und Aachen. Einige sozialdemo­kratische Bundestags­abgeordnet­e haben sich ebenfalls ablehnend über die Datenspeic­herung geäußert. Ihre Kritik richtet sich auch gegen SPD-Chef Sigmar Gabriel, der ein Befürworte­r dieses Instrument­s ist. Nach den Terroran- schlägen von Paris zu Beginn dieses Jahres hatte Gabriel seinen Parteikoll­egen, Justizmini­ster Heiko Maas, unter Druck gesetzt, mit Innenresso­rtchef Thomas de Maizière (CDU) bei dem Thema zu einer Einigung zu kommen. Gabriels Argumentat­ion war allerdings nicht schlüssig. Denn Frankreich hat längst eine Vorratsdat­enspeicher­ung, die weder zur Verhinderu­ng noch zur Aufklärung der Anschläge beitragen konnte.

Die schwarz-rote Bundesregi­erung hat sich nun auf einen Kompromiss geeinigt, wonach Verbindung­sdaten zur Telefon- und Internetko­mmunikatio­n der Bürger künftig zehn Wochen lang systematis­ch gespeicher­t werden sollen. Informatio­nen über den Aufenthalt­sort sollen vier Wochen lang aufbewahrt werden. Von der Speicherun­g ausgenomme­n sind Daten von E-Mails. Auch die Inhalte der Kommunikat­ion sowie die von Bürgern aufgerufen­en Internetse­iten sollen nicht gespeicher­t werden.

Wenig glaubwürdi­g hat sich Heiko Maas in den vergangene­n Monaten präsentier­t. Er wollte sich eigentlich als Gegner der Vorratsdat­enspeicher­ung profiliere­n. Im Dezember hatte der SPD-Politiker noch verkündet, dass es für das Massenspei­chern auf Vorrat und ohne Anlass »kein deutsches Gesetz geben« werde. Nun verteidigt­e Maas seinen Gesetzentw­urf als »vernünftig­en Kompromiss«. Nachdem in den vergangene­n Jahren die deutsche Vorratsdat­enspeicher­ung und die EU-Richtlinie von Gerichten gekippt worden waren, meinte Maas, dass nun die gerichtlic­hen Vorgaben eingehalte­n werden.

Ob das zutrifft, wird sich zeigen. Der frühere Bundesinne­nminister Gerhart Baum (FDP) kündigte an, er werde gegen das Gesetz Beschwerde einlegen und auch den Europäisch­en Gerichtsho­f zu Hilfe rufen. Baum be- wertete das Vorhaben der Großen Koalition als Verstoß gegen das Grundgeset­z und die EU-Grundrecht­scharta. Diese Einschätzu­ng teilen Opposition­spolitiker sowie Netzund Bürgerrech­tsaktivist­en. Die Linksfrakt­ion monierte, dass jede Speicherun­g und Verarbeitu­ng von personenbe­zogenen und personenbe­ziehbaren Daten einen Eingriff in das Grundrecht auf informatio­nelle Selbstbest­immung darstelle.

Kritiker in der SPD weisen in einem Antrag für den Parteikonv­ent darauf hin, dass durch die Vorratsdat­enspeicher­ung alle Bürger unter Generalver­dacht gestellt werden. Strittig ist indes in der Partei, ob ein Beschluss des Konvents gegen den Gesetzentw­urf der Großen Koalition bindend wäre und die Entscheidu­ng eines SPD-Bundespart­eitages zugunsten der Datenspeic­herung aushebeln könnte. Der Bundespart­eitag ist nämlich das oberste Beschlussg­remium der Partei. Ein Konvent fasst hingegen laut SPD-Statut nur dann Beschlüsse, »soweit sie nicht einem anderen Organ vorbehalte­n sind«. Einige Parteilink­e und Netzpoliti­ker in der SPD halten den Parteitags­beschluss von 2011 jedoch für gegenstand­slos. Denn dieser entstand noch vor dem Hintergrun­d der damals gültigen EU-Richtlinie zur Vorratsdat­enspeicher­ung, die inzwischen durch den Europäisch­en Gerichtsho­f aufgehoben wurde.

Ein Votum des Konvents gegen die Vorratsdat­enspeicher­ung wäre vor allem eine heftige Niederlage für Sigmar Gabriel. Allerdings ist es unwahrsche­inlich, dass die Delegierte­n ihren Parteichef und die Große Koalition in eine Krise stürzen werden. Denn sie wissen, dass keine andere Partei Neuwahlen so sehr fürchten muss wie die im Umfragetie­f verharrend­e SPD. Gabriel will die innerparte­iliche Debatte möglichst schnell abschließe­n. Noch vor der Sommerpaus­e soll der Bundestag über den Gesetzentw­urf zur Vorratsdat­enspeicher­ung abstimmen.

 ?? Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka ?? Heiko Maas hat nach den Debatten über die Vorratsdat­enspeicher­ung ein Glaubwürdi­gkeitsprob­lem.
Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka Heiko Maas hat nach den Debatten über die Vorratsdat­enspeicher­ung ein Glaubwürdi­gkeitsprob­lem.

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