Genossen auf Vorrat
Die Mehrheit der SPD hatte nie ein Problem mit der Datenspeicherung
Die Abstimmung zum Gesetzentwurf der Großen Koalition am 9. November 2007 war umstritten. Auch im Lager der Regierungspartei SPD hatten viele Bauchschmerzen, die von ihrem eigenen Innenminister Otto Schily angeschobene EU-Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten in deutsches Recht umzusetzen. Einige Sozialdemokraten sahen sich genötigt, eine öffentliche Erklärung darüber abzugeben, warum sie dem Gesetz ihr Plazet gegeben hatten. Die 26 SPD-Parlamentarier, darunter auch Andrea Nahles, gaben darin ihrer Hoffnung Ausdruck, dass das Bundesverfassungsgericht »möglicherweise verfassungswidrige Bestandteile für unwirksam erklären wird«. Tatsächlich reagierten die Karlsruher Richter März 2008 und entschieden per einstweiliger Anordnung, dass nur jene Daten an die Ermittlungsbehörden weitergegeben werden dürften, die zur Aufklärung schwerer Straftaten dienten.
Zwei Jahre später, am 2. März 2010, kassierte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung. Eine sechsmonatige, anlasslose Speicherung sei mit dem im Grundgesetz geschützten Postund Fernmeldegeheimnis »schlechthin unvereinbar«, hieß es in der Begründung. Die SPD war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr in Regierungsverantwortung und so sollte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ein neues Gesetz vorlegen. Das Problem: Die Liberalen gehörten bereits 2007 zu den schärfsten Kritikern der Vorratsdatenspeicherung und hatten dagegen Klage in Karlsruhe eingereicht. Zu den Antragstellern gehört damals auch LeutheusserSchnarrenberger. Mitten in der Legislatur bekam die FDP-Ministerin argumentative Schützenhilfe vom Wissenschaftliche Dienst des Bundestags. Dieser kam in einem Gutachten zu dem Schluss, dass sich »die Erfolge der Vorratsdatenspeicherung in einem sehr kleinen Rahmen halten«. Demnach verbessere die Speicherung von Telekommunikationsdaten die Aufklärungsquote um lediglich 0,006 Prozent. Auch wenn das Gutachten in der Debatte kaum Beachtung fand: In der vierjährigen Ägide von Schwarz-Gelb wurde kein neues Gesetz auf den Weg gebracht.
Erst als die SPD 2013 die Liberalen als Regierungspartner der Union ersetzte, kam wieder Bewegung in die Sache. »Wir werden die EU-Richtlinie über den Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten umsetzen«, schrieb man in den Koalitionsvertrag. Dumm nur, dass der Europäische Gerichtshof die EU-Richtlinie im April 2014 gekippt hat. Zumal Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) lange Zeit als strikter Gegner der Vorratsdatenspeicherung galt. Damit stand Maas gegen seinen Chef Sigmar Gabriel und einen SPD-Parteitagsbeschluss aus dem Jahre 2011, der sich mit knapper Mehrheit für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen hatte.