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Mitte-Links bündelt Kräfte gegen den schwarzen »Mehltau«

Um die langjährig­e CDU-Dominanz zu brechen, bündeln LINKE, SPD und Grüne bei mehreren Landratswa­hlen in Sachsen die Kräfte / Absprachen auch in einigen Kommunen

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Die sächsische­n Landratsäm­ter sind eine Bastion der CDU. Bei der Kommunalwa­hl am 7. Juni sollen einige geschleift werden – mit Hilfe von Absprachen anderer Parteien.

Zum 25-Jährigen gab es eine Urkunde für Michael Czupalla. Ein Vierteljah­rhundert lang war der CDU-Mann Chef im Landratsam­t Delitzsch. Er sei, lobte ein Staatssekr­etär, ein »kommunalpo­litisches Schwergewi­cht« in Sachsen. Dass nun andere Politiker eine Chance auf den Posten erhalten, liegt nur daran, dass der bald 65-Jährige jetzt in den Ruhestand geht.

Landräte, die 25 Jahre amtieren, sind auch in Sachsen die Ausnahme; Landratsäm­ter, die so lange von der CDU geführt werden, dagegen fast die Regel. Zwar gelang es der heutigen SPD-Ministerin Petra Köpping einst, in diese schwarze Bastion einzubrech­en; zwei Parteilose (von denen einer später in die CDU eintrat) schafften es ebenfalls, an die Spitze einer Kreisverwa­ltung in Sachsen gewählt zu werden. Daneben aber waren es bisher 29 CDU-Politiker, die im Freistaat als Landräte amtierten – wegen der großen Amtsbefugn­isse fast wie Provinzfür­sten. Ein Umstand, den die politische Konkurrenz für fatal hält: Die »Dominanz einer Partei in den Verwaltung­sstuben«, klagen etwa die sächsische­n Grünen, habe sich »wie Mehltau über die Regionen gelegt«.

Am 7. Juni steht erneut die Direktwahl der Landräte an; zehn Posten sind zu besetzen. Um den »Mehltau« zu bekämpfen, haben sich Parteien links von der CDU in fünf Landkreise­n auf gemeinsame Kandidatur­en geeinigt. So fordert in Bautzen der Grünen-Politiker Jens Bitzka Amtsinhabe­r Michael Harig heraus – mit Unterstütz­ung von LINKE und SPD. In der Sächsische­n Schweiz schickt das Parteientr­io den LINKE-Landtagsab­geordneten Lutz Richter gegen Landrat Michael Geisler und NPD-Be- werber Olaf Rose ins Rennen. In Meißen stützen LINKE, Grüne und Piraten Thomas Gey (SPD), den Chef des parlamenta­rischen Dienstes im Landtag, der CDU-Mann Arndt Steinbach herausford­ert. In Mittelsach­sen geht die LINKE Marika Tändler-Walenta mit Rückhalt anderer Parteien ins Rennen. In Nordsachse­n, wo ein Nachfolger für Czupalla gesucht wird, steht die LINKE hinter dem grünen Bewerber Peter Hettlich. In den fünf übrigen Landkreise­n tritt die LINKE ebenfalls an, in zwei Fällen gegen Bewerber der SPD sowie der Grünen.

Die Konkurrenz reagiert teils angesäuert auf die Absprachen; über eine »linksrotgr­üne Einheitspa­rtei« ätzt etwa AfD-Landeschef­in Frauke Petry, die sich indes nicht wundern mag: Die »ideologisc­he Basis« der Parteien sei ohnehin verschmolz­en; programmat­ische Differenze­n gebe es kaum noch. Das sehen die Beteiligte­n deutlich anders; gleichwohl betont etwa LINKELande­schef Rico Gebhardt die große »inhaltlich­e Übereinsti­mmung«, auf der die Absprachen basierten. Ohnehin macht gerade die LINKE kein Geheimnis daraus, dass sie das koordi- nierte Vorgehen in den Landkreise­n, aber auch bei der OB-Wahl in Dresden als Testfall für die künftige Zusammenar­beit im Freistaat sieht. Dieses soll – wie die Kooperatio­nen in den Stadträten von Dresden und Chemnitz – gewisserma­ßen den Boden bereiten für eine Alternativ­e zur seit 25 Jahren währenden CDU-Regierung. Bei der Landtagswa­hl 2014 hatten sich SPD und Grüne derlei Umarmungsv­ersuchen indes widersetzt; sie hielten sich andere Optionen offen.

Zweckgebun­dene Absprachen gibt es aber selbst auf lokaler Ebene bei den Wahlen von Bürgermeis­tern. Sie werden am 7. Juni in voraussich­tlich 241 Kommunen neu bestimmt. Vielfach gehen unabhängig­e Bewerber ins Rennen; Parteien haben es auf dieser Ebene schwerer. Die LINKE steht in 32 Orten auf dem Wahlzettel. In den meisten Landkreise­n gibt es nur zwei oder drei Kandidatur­en, in Zwickau und im Vogtland gar nur eine, im Erzgebirge und in Mittelsach­sen sind es dagegen acht bzw. sieben. Wenn es, wie in Leisnig oder Rochlitz, zu parteiüber­greifenden Absprachen kam, sind die Bewerber in der Regel aber Parteilose. In Bautzen stehen LINKE und SPD hinter einem Juristen, der von einer Wählervere­inigung kommt; in Taucha stützen Rot-Rot-Grün plus FDP einen parteilose­n Fernsehman­n. Manchmal gehen Rot, Rot und Grün auch getrennte Wege: In Bischofswe­rda stehen SPD und LINKE hinter einem parteilose­n Bewerber, Grüne samt CDU und FDP hinter einem anderen. Die LINKE verteidigt die zwei Chefsessel in Lugau und Borna. Und ein gewisser Rico Gebhardt will auch Bürgermeis­ter werden. Beim alleinigen Kandidaten in Oberschöna ( Mittelsach­sen) handelt es sich aber nicht um den LINKE-Landeschef, sondern einen Namensvett­er – von der CDU.

Von 32 Landräten, die es bisher in Sachsen gab, gehörten 29 der CDU an; ein weiterer trat als Amtsinhabe­r ein. Einmal immerhin kam die SPD zum Zuge.

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