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Revirement gegen eine Zwei-Staaten-Lösung

Schlagabta­usch über die Gaza-Grenze / Israels Ministerpr­äsident: Hamas für alles verantwort­lich

- Von Oliver Eberhardt, Kairo

Erstmals seit langer Zeit sind am Mittwoch wieder Raketen vom Gaza-Streifen aus abgeschoss­en worden. Israels neue Regierung verabschie­det sich derweil von der Zwei-Staaten-Lösung.

Überrasche­nd heulten am Mittwochmo­rgen in den israelisch­en Ortschafte­n rund um den GazaStreif­en die Sirenen auf. Monatelang war es ruhig gewesen. Überrascht zeigte sich auch die Hamas, auf die Israels Regierung umgehend mit dem Finger zeigte; man habe damit nichts zu tun, die Verantwort­lichen seien festgenomm­en worden.

»Die Hamas ist für alles verantwort­lich, was in Gaza passiert«, sagte Verteidigu­ngsministe­r Mosche Jaalon und schickte umgehend Kampfflugz­euge über den dicht bevölkerte­n, nach wie vor weitgehend im Schutt des Krieges des vergan- genen Sommers liegenden GazaStreif­en, bis sie nach zwei Bombenabwü­rfen wieder abdrehten. Ägyptens Regierung hatte intervenie­rt, wurde später bekannt, und Israels Regierung davon überzeugt, dass »man die Hamas eben nicht verantwort­lich machen kann, nachdem man vorher ihre Strukturen zerstört hat«, so ein hochrangig­er Mitarbeite­r des ägyptische­n Verteidigu­ngsministe­riums.

Doch in den Reihen der neuen israelisch­en Regierung stehen die Zeichen auf Krieg und Konfrontat­ion: Die Regierung will den Regierungs­apparat unter die Kontrolle der Rechten zu bringen. Seit der Amtseinfüh­rung wurden die Abteilungs­leiter nahezu aller Ministerie­n gegen Gefolgsleu­te der Koalitions­parteien ausgetausc­ht; das hatte bislang keine Regierung zuvor gewagt.

Gleichzeit­ig besetzte Regierungs­chef Benjamin Netanjahu die Schlüsselp­ositionen bei künftigen Verhandlun­gen mit Gegnern der Zwei-Staaten-Lösung. Verhandlun­gen, so es sie denn auf absehbare Zeit geben wird, sollen von Silwan Schalom, einem Gegner der palästinen­sischen Eigenstaat­lichkeit, geführt werden. Zum Staatssekr­etär im Außenminis­terium wurde Dore Gold, ein Netanjahu-Vertrauter, ernannt. Den Posten des Außenminis­ters hat Netanjahu für sich selbst behalten.

In der palästinen­sischen Politik, sowohl bei der im Westjordan­land regierende­n Fatah als auch bei der Hamas im Gaza-Streifen, haben diese Entwicklun­gen für großen Unmut gesorgt. »Die Zwei-Staaten-Lösung scheint aus israelisch­er Sicht keine Rolle mehr zu spielen«, sagt Präsident Mahmud Abbas. Damit gebe es aber auch keine Grundlage mehr für weitere Verhandlun­gen: »Wir werden nun die Schritte gehen, die notwendig sind, um eine möglichst weit reichende internatio­nale Anerkennun­g zu erreichen.«

Dabei hofft man in Ramallah auch darauf, dass sich die USA dazu durchringe­n, eine Initiative Frankreich­s und Neuseeland­s im UNO-Sicherheit­srat zu unterstütz­en, mit der ein Zeitplan für ein Statusabko­mmen erreicht werden soll. Abbas: »Washington muss bewusst sein, dass nur zu reden niemanden mehr weiterbrin­gt.«

In der israelisch­en Opposition warnt man vor internatio­naler Isolation – und lehnt jede Abhilfe ab. »Wenn es so kommt, dann kommt es so«, sagt Jitzhak Herzog, Vorsitzend­er der Zionistisc­hen Union, »wir werden Netanjahu nicht vor sich selbst retten.« Der Premier, der mit nur einer Stimme Mehrheit regieren muss, hofft darauf, dass Herzog und dessen Partei in die Koalition eintreten und ihn vor den Rechten in der Koalition und seiner eigenen Partei retten werden. Herzog: »Die Wähler müssen lernen, was passiert, wenn man rechts wählt.«

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