Revirement gegen eine Zwei-Staaten-Lösung
Schlagabtausch über die Gaza-Grenze / Israels Ministerpräsident: Hamas für alles verantwortlich
Erstmals seit langer Zeit sind am Mittwoch wieder Raketen vom Gaza-Streifen aus abgeschossen worden. Israels neue Regierung verabschiedet sich derweil von der Zwei-Staaten-Lösung.
Überraschend heulten am Mittwochmorgen in den israelischen Ortschaften rund um den GazaStreifen die Sirenen auf. Monatelang war es ruhig gewesen. Überrascht zeigte sich auch die Hamas, auf die Israels Regierung umgehend mit dem Finger zeigte; man habe damit nichts zu tun, die Verantwortlichen seien festgenommen worden.
»Die Hamas ist für alles verantwortlich, was in Gaza passiert«, sagte Verteidigungsminister Mosche Jaalon und schickte umgehend Kampfflugzeuge über den dicht bevölkerten, nach wie vor weitgehend im Schutt des Krieges des vergan- genen Sommers liegenden GazaStreifen, bis sie nach zwei Bombenabwürfen wieder abdrehten. Ägyptens Regierung hatte interveniert, wurde später bekannt, und Israels Regierung davon überzeugt, dass »man die Hamas eben nicht verantwortlich machen kann, nachdem man vorher ihre Strukturen zerstört hat«, so ein hochrangiger Mitarbeiter des ägyptischen Verteidigungsministeriums.
Doch in den Reihen der neuen israelischen Regierung stehen die Zeichen auf Krieg und Konfrontation: Die Regierung will den Regierungsapparat unter die Kontrolle der Rechten zu bringen. Seit der Amtseinführung wurden die Abteilungsleiter nahezu aller Ministerien gegen Gefolgsleute der Koalitionsparteien ausgetauscht; das hatte bislang keine Regierung zuvor gewagt.
Gleichzeitig besetzte Regierungschef Benjamin Netanjahu die Schlüsselpositionen bei künftigen Verhandlungen mit Gegnern der Zwei-Staaten-Lösung. Verhandlungen, so es sie denn auf absehbare Zeit geben wird, sollen von Silwan Schalom, einem Gegner der palästinensischen Eigenstaatlichkeit, geführt werden. Zum Staatssekretär im Außenministerium wurde Dore Gold, ein Netanjahu-Vertrauter, ernannt. Den Posten des Außenministers hat Netanjahu für sich selbst behalten.
In der palästinensischen Politik, sowohl bei der im Westjordanland regierenden Fatah als auch bei der Hamas im Gaza-Streifen, haben diese Entwicklungen für großen Unmut gesorgt. »Die Zwei-Staaten-Lösung scheint aus israelischer Sicht keine Rolle mehr zu spielen«, sagt Präsident Mahmud Abbas. Damit gebe es aber auch keine Grundlage mehr für weitere Verhandlungen: »Wir werden nun die Schritte gehen, die notwendig sind, um eine möglichst weit reichende internationale Anerkennung zu erreichen.«
Dabei hofft man in Ramallah auch darauf, dass sich die USA dazu durchringen, eine Initiative Frankreichs und Neuseelands im UNO-Sicherheitsrat zu unterstützen, mit der ein Zeitplan für ein Statusabkommen erreicht werden soll. Abbas: »Washington muss bewusst sein, dass nur zu reden niemanden mehr weiterbringt.«
In der israelischen Opposition warnt man vor internationaler Isolation – und lehnt jede Abhilfe ab. »Wenn es so kommt, dann kommt es so«, sagt Jitzhak Herzog, Vorsitzender der Zionistischen Union, »wir werden Netanjahu nicht vor sich selbst retten.« Der Premier, der mit nur einer Stimme Mehrheit regieren muss, hofft darauf, dass Herzog und dessen Partei in die Koalition eintreten und ihn vor den Rechten in der Koalition und seiner eigenen Partei retten werden. Herzog: »Die Wähler müssen lernen, was passiert, wenn man rechts wählt.«