Unterschätzte Gefahr aus Kohlekraftwerken
Greenpeace-Studie zu Quecksilber-Emissionen
Deutschland ist europaweit der größte Quecksilber-Emittent. Dabei steht das giftige Schwermetall im Verdacht, neurologische Krankheiten wie Alzheimer zu fördern.
Alte Braunkohlekraftwerke hierzulande heizen nicht nur mit ihren riesigen Kohlendioxidemissionen das Klima an. Sie sind auch eine unterschätzte Gesundheitsgefahr. »Die Bundesregierung darf nicht länger zusehen, wie Braunkohlemeiler tonnenweise Quecksilber ausstoßen«, meint Greenpeace-Energieexperte Andree Böhling. Er muss es wissen, denn seine Umweltorganisation ließ vom Forschungs- und Beratungsinstitut Gefahrenstoffe (FoBiG) eine Studie zu dem Thema erstellen, die am Mittwoch veröffentlicht wurde.
Demnach hat Deutschland ein gravierendes Quecksilberproblem. Noch immer gelangt viel zu viel davon in die Umwelt. Das Schwermetall ist nach Arsen und Blei die giftigste Substanz, mit der Menschen im Alltag in Kontakt kommen können. Es steht im Verdacht, neurologische Schäden bei Kindern sowie Krankheiten wie Alzheimer zu begünstigen. »Jedes dritte in der EU geborene Baby kommt heute mit zu hohen Quecksilberwerten zur Welt – hier droht ein schleichender Intelligenzverlust«, warnt Studienautor Peter Jennich. Was Quecksilber außerdem gefährlich macht: Es lässt sich nur schwer vom Körper abbauen. Geringe, vielleicht einzeln unbedenkliche Dosen reichern sich so über die Jahre hinweg zu einer gefährlichen Konzentration im Körper an.
Dabei könnte die Bundesregierung einiges für die Gesundheit der Bürger hierzulande und in ganz Europa tun. Deutschland ist nämlich mit Abstand vor Polen und Großbritannien der größte Quecksilber-Emittent in der Europäischen Union. 70 Prozent des giftigen Schwermetalls stammen dabei aus Kohlekraftwerken. Alte Braunkohlekraftwerke stoßen besonders viel Quecksilber aus. Zwar weist der in ihnen verfeuerte Brennstoff nicht unbedingt die höchsten Quecksilberwerte auf. »Doch letzten Endes macht es die Menge«, erklärt Böhling. So verbrennen deutsche Kraftwerke weitaus mehr Braun- als Steinkohle.
Anfang Juni beratschlagt die EU nun die künftigen Schadstoffgrenzwerte unter anderem für Kohlekraftwerke. 30 Mikrogramm Quecksilber pro Kubikmeter dürfen die hiesigen Braunkohlekraftwerke bisher in die Luft pusten. Geht es nach dem Willen von Berlin und Brüssel, soll dieser Grenzwert auf zehn Mikrogramm gesenkt werden. Klingt ambitioniert, ist es aber nicht. Greenpeace zufolge schaffen 85 Prozent der Kohlekraftwerke bereits jetzt diesen strengeren Grenzwert. Und der Stand der Technik würde einen Ausstoß von lediglich einem Mikrogramm Quecksilber möglich machen. Die Kosten für die Umrüstung wäre laut den Umweltschützern minimal und würden nur mit einem Prozent der Stromerzeugungskosten zu Buche schlagen. So fordert neben Greenpeace auch die energiepolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, Eva BullingSchröter: »Quecksilber aus Kohle darf nicht zum Asbest der Energieversorgung werden.«
Indes gefährdet die hiesige Kohleindustrie mit ihren QuecksilberEmissionen nicht nur die Gesundheit der Menschen hierzulande. Über die Luft wird das Schwermetall durch halb Europa transportiert und gelangt als Regen in die Meere, wo es von Tieren und Pflanzen aufgenommen wird. Intensive Fischesser sind deshalb besonders gefährdet, eine schleichende Vergiftung zu bekommen. So nehmen Menschen in Spanien, Finnland und Italien sehr viel mehr Quecksilber zu sich als in Deutschland.