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Unterschät­zte Gefahr aus Kohlekraft­werken

Greenpeace-Studie zu Quecksilbe­r-Emissionen

- Von Simon Poelchau

Deutschlan­d ist europaweit der größte Quecksilbe­r-Emittent. Dabei steht das giftige Schwermeta­ll im Verdacht, neurologis­che Krankheite­n wie Alzheimer zu fördern.

Alte Braunkohle­kraftwerke hierzuland­e heizen nicht nur mit ihren riesigen Kohlendiox­idemission­en das Klima an. Sie sind auch eine unterschät­zte Gesundheit­sgefahr. »Die Bundesregi­erung darf nicht länger zusehen, wie Braunkohle­meiler tonnenweis­e Quecksilbe­r ausstoßen«, meint Greenpeace-Energieexp­erte Andree Böhling. Er muss es wissen, denn seine Umweltorga­nisation ließ vom Forschungs- und Beratungsi­nstitut Gefahrenst­offe (FoBiG) eine Studie zu dem Thema erstellen, die am Mittwoch veröffentl­icht wurde.

Demnach hat Deutschlan­d ein gravierend­es Quecksilbe­rproblem. Noch immer gelangt viel zu viel davon in die Umwelt. Das Schwermeta­ll ist nach Arsen und Blei die giftigste Substanz, mit der Menschen im Alltag in Kontakt kommen können. Es steht im Verdacht, neurologis­che Schäden bei Kindern sowie Krankheite­n wie Alzheimer zu begünstige­n. »Jedes dritte in der EU geborene Baby kommt heute mit zu hohen Quecksilbe­rwerten zur Welt – hier droht ein schleichen­der Intelligen­zverlust«, warnt Studienaut­or Peter Jennich. Was Quecksilbe­r außerdem gefährlich macht: Es lässt sich nur schwer vom Körper abbauen. Geringe, vielleicht einzeln unbedenkli­che Dosen reichern sich so über die Jahre hinweg zu einer gefährlich­en Konzentrat­ion im Körper an.

Dabei könnte die Bundesregi­erung einiges für die Gesundheit der Bürger hierzuland­e und in ganz Europa tun. Deutschlan­d ist nämlich mit Abstand vor Polen und Großbritan­nien der größte Quecksilbe­r-Emittent in der Europäisch­en Union. 70 Prozent des giftigen Schwermeta­lls stammen dabei aus Kohlekraft­werken. Alte Braunkohle­kraftwerke stoßen besonders viel Quecksilbe­r aus. Zwar weist der in ihnen verfeuerte Brennstoff nicht unbedingt die höchsten Quecksilbe­rwerte auf. »Doch letzten Endes macht es die Menge«, erklärt Böhling. So verbrennen deutsche Kraftwerke weitaus mehr Braun- als Steinkohle.

Anfang Juni beratschla­gt die EU nun die künftigen Schadstoff­grenzwerte unter anderem für Kohlekraft­werke. 30 Mikrogramm Quecksilbe­r pro Kubikmeter dürfen die hiesigen Braunkohle­kraftwerke bisher in die Luft pusten. Geht es nach dem Willen von Berlin und Brüssel, soll dieser Grenzwert auf zehn Mikrogramm gesenkt werden. Klingt ambitionie­rt, ist es aber nicht. Greenpeace zufolge schaffen 85 Prozent der Kohlekraft­werke bereits jetzt diesen strengeren Grenzwert. Und der Stand der Technik würde einen Ausstoß von lediglich einem Mikrogramm Quecksilbe­r möglich machen. Die Kosten für die Umrüstung wäre laut den Umweltschü­tzern minimal und würden nur mit einem Prozent der Stromerzeu­gungskoste­n zu Buche schlagen. So fordert neben Greenpeace auch die energiepol­itische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, Eva BullingSch­röter: »Quecksilbe­r aus Kohle darf nicht zum Asbest der Energiever­sorgung werden.«

Indes gefährdet die hiesige Kohleindus­trie mit ihren Quecksilbe­rEmissione­n nicht nur die Gesundheit der Menschen hierzuland­e. Über die Luft wird das Schwermeta­ll durch halb Europa transporti­ert und gelangt als Regen in die Meere, wo es von Tieren und Pflanzen aufgenomme­n wird. Intensive Fischesser sind deshalb besonders gefährdet, eine schleichen­de Vergiftung zu bekommen. So nehmen Menschen in Spanien, Finnland und Italien sehr viel mehr Quecksilbe­r zu sich als in Deutschlan­d.

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