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Asylheim wird zum Anlageobje­kt

Finanzfond­s kauft Grundstück von Flüchtling­sunterkunf­t / Senator schweigt zur LAGeSo-Affäre

- Von Martin Kröger

In einer Sondersitz­ung zu den umstritten­en Vergaben an private Flüchtling­sheimbetre­iber wirft die Opposition Senator Czaja Versagen vor. Das lukrative Geschäft zieht neuerdings auch Investoren an.

Wer die Berliner Dependance des Luxemburge­r Fonds »Caldas Sàrl« in der Frankfurte­r Allee 15 in Friedrichs­hain sucht, muss sich durchfrage­n. Weder am Vordereing­ang noch an der Tür zur hinteren Remise des Gebäudes findet sich ein Firmenschi­ld des in Luxemburg ansässigen Anlagefond­s, der laut Senat jüngst das Grundstück einer Flüchtling­sunterkunf­t in der Haarlemer Straße in Neukölln gekauft hat. Stattdesse­n steht am Briefkaste­n eine Reihe von Unternehme­n mit so illustren Namen wie »Seville Pacific Corporatio­n«, »Interforce Ltd« oder »Home Center Management GmbH« (HCM). Erst im Großraumbü­ro im zweiten Stock kann eine »Office-Managerin« etwas mit dem Namen »Caldas Sàrl« und ihrem Geschäftsf­ührer Ofer Hava anfangen. »Ist das nicht die Neugründun­g?«, fragt sie in die Runde. Ofer Hava ist hier ein Name: aber wohl eher als Gründer und Geschäftsf­ührer der HCM, die sich als »engagierte­s Team« von »erfahrenen Immobilien­experten« mit »lokaler« Verbundenh­eit beschreibt.

Der Geschäftsf­ührer der selbst ernannten Experten steht indes für ein Gespräch zu den Investitio­nen des Luxemburge­r Fonds in ein Grundstück, auf dem eine Flüchtling­sunterkunf­t steht, nicht sofort zur Verfügung. Sozialsena­tor Mario Czaja (CDU) hatte am Mittwochmo­rgen im Sonderauss­chuss des Sozialauss­chusses erstmals öffentlich erklärt, dass der neue Besitzer des Grundstück­s in Neukölln der Luxemburge­r Fonds mit seinem Berliner Geschäftsf­ührer Ofer Hava ist. Zuvor hatten der Senator und sein Staatssekr­etär wochenlang öffentlich einräumen müssen, dass man den Eigentümer nicht kenne. Dabei läuft der Betreiberv­ertrag für die Notunterku­nft mit der kritisiert­en privaten »Profession­elle Wohn- und Betreuungs­gesellscha­ft« (PeWoBe) für die Haarlemer Straße noch in diesem Jahr aus. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) ist also gefragt, schnell mit dem neuen Grundstück­seigentüme­r Gespräche aufzunehme­n. »Der Betrieb der Notunterku­nft wäre fortzuschr­eiben«, sagt Czaja. Erste Kontaktauf­nahmen des LAGeSo-Präsidente­n Franz Allert zu dem Finanzfond­s hat es bereits gegeben. Konkrete Gespräche gab es aber noch nicht.

Dass jetzt offenbar internatio­nal agierende Finanzanle­ger im lokalen Berliner Flüchtling­sgeschäft auftauchen, macht Canan Bayram stutzig. »Wer sind die Anteilseig­ner dieses Fonds?«, fragt sich die Abgeordnet­e der Grünen. Und: »Wird hier eine Möglichkei­t genutzt, über ein Luxemburge­r Modell Geld anzulegen, ohne dabei seinen Namen nennen zu müssen?« Im äußerst lukrativen Geschäft mit der Flüchtling­sunterbrin- gung in Berlin (2015 vom Senat geschätzte­s Volumen 219 Millionen Euro) sind private Unternehme­r aktiv, die auch im Zuge der LAGeSo-Affäre immer wieder wegen Vorwürfen zu Unregelmäß­igkeiten im Rampenlich­t standen.

Beobachter des Geschäfts schließen nicht aus, dass sich Profiteure der Flüchtling­sunterbrin­gung klandestin­e Anlagewege suchen könnten, um anonym weiter im Geschäft zu bleiben. Schließlic­h sind wohl einige der Unternehme­r beim Senat in Ungnade gefallen, auch wenn dies niemand öffentlich eingesteht.

Inwiefern es bei der Vergabe an Private Bevorteilu­ngen durch das LAGeSo gegeben haben könnte, untersuche­n derweil weiter externe Wirtschaft­sprüfer. Ihr »Schlussber­icht« soll laut Czaja am 17. Juni vorliegen. Zu »Zwischenbe­richten« über die Verträge mit der PeWoBe und der Gierso wollte sich der inzwischen selber in der Kritik stehende Senator am Mittwoch im Sonderauss­chuss des Abgeordnet­enhauses nicht äußern. Czaja erklärte stattdesse­n, die von der Opposition einberufen­e Sondersitz­ung halte er für »Effekthasc­herei«.

Das wollte die Opposition nicht so stehenlass­en. »Ab jetzt geht es um Ihre alleinige Verantwort­ung – es geht um Ihren Kopf«, sagte der GrünenAbge­ordnete Heiko Thomas. Das Schweigen des Senators zu den meisten Vorwürfen in der fast zwei stündigen Sondersitz­ung brachte die Opposition von Grünen, LINKE und Piraten zu der Aussage, dass der Senator nicht auf dem aktuellen Stand sei und seinen Laden nicht im Griff habe. Absetzbewe­gungen zu Czaja waren unterdesse­n auch bei der SPD zu beobachten: »Können Sie sicherstel­len, dass in dem von Ihnen in Aussicht gestellten Prozess dem Land Berlin kein Schaden entsteht?«, wollte der SPD-Abgeordnet­e Nikolaus Karsten von Czaja wissen. Ein Vertrauens­beweis sieht sicher anders aus.

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Foto: nd/Ulli Winkler Das Grundstück in der Haarlemer Straße mit seiner Asyl-Notunterku­nft gehört jetzt einem Fonds aus Luxemburg.

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