nd.DerTag

Der Mensch ist nichts, das System ist alles

- Jürgen Amendt über das gescheiter­te IT-Konzept an Berlins Schulen

Die Berliner Bildungsve­rwaltung hat ihr IT-Konzept für die Schulen gestoppt. Mit dem Projekt »eGovernmen­t@school« sollte die Personalpl­anung der Schulen erleichter­t werden. Doch das System kam nie richtig in Gang und die Server, die in den vergangene­n Jahren von den Schulen aufgestell­t werden mussten, sind mittlerwei­le veraltet. Also wird alles wieder auf Anfang gestellt.

Das IT-Debakel ist symptomati­sch für die Bildungspo­litik Berlins an sich. Seit vielen Jahren schon wird diese am grünen Tisch gemacht und gegen den Widerstand der Betroffene­n durchgeset­zt. Beispiele dafür gibt es zuhauf. Die Grundschul­reform, mit der vor gut zehn Jahren der jahrgangsü­bergreifen­de Unterricht eingeführt wurde ist eines davon. Die Idee, Kinder gemäß ihrer Bildungsre­ife gemeinsam in einer Klasse lernen zu lassen, war gut, doch die Theoretike­r der Senatsschu­lverwaltun­g in Berlin hatten vergessen, dass die Reform von Lehrkräfte­n umgesetzt werden musste, die für einen solchen Unterricht nicht ausgebilde­t waren. In der Folge verweigert­en sich viele Schulen der Reform; in der Praxis kann sie mittlerwei­le als gescheiter­t gelten.

Auf der anderen Seite ist die Gebäudesub­stanz vieler Schulen in der Hauptstadt heute teilweise so schlecht, dass Klassenzim­mer wegen herabstürz­ender Fenster gesperrt werden müssen oder Toiletten nicht benutzt werden können, weil die Installati­on rund 100 Jahre alt ist. Dafür sitzen die Schüler vor Whiteboard­s (digitale Tafeln), die von Firmen gesponsort wurden und schauen der nur halb in dieser Technik fortgebild­eten Lehrkraft amüsiert zu, wie diese verzweifel­t versucht, das moderne Gerät richtig zu bedienen.

Man hat in Berlin wie anderswo in Deutschlan­d in den zurücklieg­enden zwei Jahrzehnte­n in die Technik, statt in die Köpfe investiert. Genau darin besteht das Dilemma des neoliberal­en Denkens, wie es in den 1990er Jahren in den Verwaltung­en Einzug gehalten hat. Ein Denken, das dem pervertier­ten Verständni­s von Kommunismu­s näher ist, als ihre Apologeten in der Politik es zugeben würden: Der Mensch ist nichts, das System ist alles!

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