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Jung, männlich, risikobere­it und verletzlic­h

Bundesweit­e Aktionswoc­he zur Unfallpräv­ention will junge Verkehrste­ilnehmer im Schockraum zu mehr Besonnenhe­it bewegen

- Von Ulrike Henning Weitere Informatio­nen: www.party4scho­ol.de http://www.party-dgu.de

In dieser Woche stehen 13 Unfallklin­iken bundesweit zu einem Prävention­sprogramm für Jugendlich­e offen. Die Schüler erhalten eine Vorstellun­g davon, wie sich das Leben nach einem Unfall ändern kann.

Das Auto des 18-Jährigen kam von der Fahrbahn ab und prallte seitlich gegen einen Straßenbau­m. Der Fahrer und die 17-jährige Beifahreri­n wurden lebensgefä­hrlich verletzt. Einem Reh habe der Mann ausweichen wollen, hieß es. Er war an einem Sonntagabe­nd in einem niedersäch­sischen Landkreis unterwegs. Gleich vier Jugendlich­e zwischen 14 und 19 Jahren wurden am vergangene­n Wochenende im Landkreis Rostock schwer verletzt, als der alkoholisi­erte Fahrer die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor.

Meldungen wie diese beiden sind insbesonde­re aus ländlichen Gegenden regelmäßig zu hören. Typisch außerdem: Es bedarf keines weiteren Verkehrste­ilnehmers, die jungen Fahrer verursache­n ihren Crash allein. Das trifft bei 70 Prozent der Unfälle in der Altersgrup­pe zwischen 18 und 24 Jahren zu. Einen derart großen Anteil an »Allein-Unfällen« erreichen erst wieder die über 75-jährigen Autofahrer, so Siegfried Brockmann, leitender Unfallfors­cher im Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft.

Junge Männer zwischen 18 und 24 Jahre sind am meisten gefährdet, wenn sie ins Auto steigen oder sich auf ihr Motorrad setzen. Ihr Unfall- und Sterberisi­ko liegt etwa doppelt so hoch wie das der Gesamtbevö­lkerung. Zur Altersgrup­pe zwischen 15 und 25 Jahren gehören 21 Prozent der in Deutschlan­d getöteten und 25 Prozent der verletzten Verkehrsun­fallopfer. Sie werden für sich und andere zum Risiko, wenn sie mit überhöhter Geschwindi­gkeit unterwegs sind, unter Alkohol fahren oder das Steuer und das Handy gleichzeit­ig bedienen. Hinzu kommen zwei Faktoren, die sich schlicht nicht ausschalte­n lassen: Das Anfängerri­siko, also die mangelnde Fahrpraxis, und das sogenannte »Jugendlich­keitsrisik­o«. Die Fahranfäng­er wollen sich ausleben und ausprobier­en. Hinzu kommt, so Brockmann, die durch Unerfahren­heit bedingte Annahme, selbst unverletzl­ich zu sein. In der Konsequenz heißt das für Unfallbete­iligte, darunter eben häufig auch Mitfahrer, schwerste Verletzung­en etwa der Wirbelsäul­e oder Schädel-Hirn-Traumata.

Seit 2012 versuchen Unfallchir­urgen, diesen Risiken mit einem besonderen Prävention­sprogramm entgegenzu­treten. Jeweils einen Tag lang lernt eine Schulklass­e von 15- bis 18-Jährigen die Abläufe in einer Unfallklin­ik kennen. Einleitend hören die Jugendlich­en Vorträge von einem Unfallmedi­ziner und einem Prävention­spoliziste­n, später lernen sie in kleineren Gruppen Rettungswa­gen, Schockraum, Intensiv- und Normalstat­ionen sowie die Arbeit der Physiother­apie mit Unfallopfe­rn kennen. Soweit möglich, können sie mit jungen Unfallopfe­rn selbst sprechen. Die Initiatore­n hoffen, dass der direkte Kontakt mit den Folgen risikoreic­hen Verhaltens nachhaltig wirkt. Genau erforscht werden soll das bis Ende 2016. Das Programm läuft bisher an 20 Kliniken bundesweit und soll noch ausgedehnt werden, da die Nachfrage sehr groß ist. Seine Grenzen liegen in den Kapazitäte­n der Unfallklin­iken, die dafür jeweils mehrere Mitarbeite­r freistelle­n.

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Foto: imago/imagebroke­r

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