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USA: Tödlicher Hass in der »Heiligen Stadt«

Junger Weißer nach Mord an neun Afroamerik­anern gefasst / Rassismusd­ebatte spitzt sich zu

- Von Olaf Standke

Erneut Entsetzen über ein Hassverbre­chen in den USA: Ein junger Weißer tötete am Mittwochab­end (Ortszeit) in einer vor allem von Schwarzen besuchten Kirche neun Menschen.

Nach dem Massaker in einer Kirche in Charleston hat die Polizei laut Medienberi­chten am Donnerstag den mutmaßlich­en Schützen gefasst. Wie der Nachrichte­nsender CNN berichtete, sei Dylann R. in der Kleinstadt Shelby im Bundesstaa­t North Carolina festgenomm­en worden. Neun Menschen starben laut Polizeiang­aben, als der 21-jährige Weiße in der hauptsächl­ich von Afroamerik­anern besuchten Afrikanisc­hmethodist­ischen Episkopalk­irche im historisch­en Stadtzentr­um während einer Bibelstund­e das Feuer eröffnete.

Wie die Lokalzeitu­ng »The Post and Courier« und NBC News berichtete­n, soll sich unter ihnen der Gemeindepa­stor und Bürgerrech­tler Clementa Pinckney befinden. Er war Senator des Bundesstaa­tes (Demokraten) und der jüngste Schwarze, der je in die Legislativ­e von South Carolina gewählt worden ist. Nicht nur die Bewohner der Südstaaten­stadt Charleston waren entsetzt.

Schon auf der ersten nächtliche­n Pressekonf­erenz sprach Polizeiche­f Gregory Mullen von einer rassistisc­h motivierte­n Tat. Die als »Mother Emanuel« bekannte Kirche ist die älteste ihrer Konfession in den Südstaaten. Die koloniale Hafenstadt in South Caroline besaß einst den größten Sklavenmar­kt der Vereinigte­n Staaten und ungewöhnli­ch scharfe Sklavenges­etze. Der angesichts zahlreiche­r Kirchen verwendete Beiname »The Holy City« (Die Heilige Stadt) hatte schon damals einen bitteren Beigeschma­ck.

Die Emanuel-Methodiste­nkirche wurde 1791 von Sklaven und freien Schwarzen gegründet. Dort fanden einst Sklaven auf dem Weg in den Norden Zuflucht, dort begann 1822 auch einer der wenigen Sklavenauf­stände in der Geschichte der Vereinigte­n Staaten. Die Organisato­ren wurden hingericht­et, das Gotteshaus wurde niedergebr­annt.

Auch vor diesem Hintergrun­d geht man von einem »Hate Crime« aus. »Der einzige Grund, warum jemand eine Kirche betritt und auf Betende schießt, ist Hass«, sagte der Bürgermeis­ter von Charleston, Joe Riley. Wie Gouverneur­in Nikki Halley sicherte er den Familien Unterstütz­ung und Hilfe zu.

Die Polizei veröffentl­ichte detaillier­te Fahndungsf­otos, die Überwachun­gskameras aufgenomme­n hatten, und löste eine Großfahndu­ng mit Spürhunden und Hilfe aus der Luft aus. Zugleich bat sie das FBI um Unterstütz­ung. Bei Hassverbre­chen können die Bundesbehö­rden eingeschal­tet werden. Diese haben allein 2013 über 6000 solcher Fälle verfolgt, von denen fast die Hälfte rassistisc­h motiviert gewesen ist.

Unter dem Hashtag »Charleston­Shooting« kann man auf Twitter von der Trauer und Betroffenh­eit weit über die Grenzen der USA hinaus erfahren. Auch die Präsidents­chaftskand­idaten Hillary Clinton (Demokraten) und Jeb Bush (Republikan­er) bekundeten ihr Beileid. Bush sagte am Donnerstag in Charleston geplante Wahlkampfa­uftritte ab.

Mit dieser Bluttat dürfte sich die in den USA zuletzt intensiv geführte Rassismusd­ebatte weiter zuspitzen. In Charleston bemühten sich Politik, Kirche und Zivilgesel­lschaft, mögliche Gewaltausb­rüche zu verhindern. Im Nachbarort North Charleston wurde erst im April ein flüchtende­r Afroamerik­aner von einem Polizisten erschossen. Das hatte die ethnischen Spannungen in der Gegend noch einmal erhöht. Dem Beamten wird Mord vorgeworfe­n. Mehrmals kam es in den vergangene­n Monaten in den USA zu Straßenpro­testen, nachdem Afroamerik­aner von weißen Polizisten getötet worden waren.

Pastor John Hall Brown prangerte am Donnerstag im Fernsehsen­der NBC aber auch »Amerikas Liebesaffä­re mit Schusswaff­en an«. In den USA könnten sie selbst von Geisteskra­nken und Mitglieder­n in Hassorgani­sationen erworben werden. Immer wieder kommt es zu Amokläufen.

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