nd.DerTag

Bericht aus dem Armenhaus

Griechisch­e Ministerin wirbt um Unterstütz­ung

- Von Stefan Otto

Dass die Verhandlun­gen über die griechisch­en Schulden in einer kritischen Phase sind, erkennt man auch an den Statements der Partner nach den Gesprächen. Ihr Ton ist merklich rauer geworden, geradezu undiplomat­isch.

In dieser hitzigen Atmosphäre ist die griechisch­e stellvertr­etende Ministerin für gesellscha­ftliche Solidaritä­t, Theano Fotiou, nach Deutschlan­d gekommen. Fotiou sprach am Donnerstag auf einer Pressekonf­erenz, die eine Demonstrat­ion für ein »anderes Europa« am 20. Juni in Berlin ankündigte – eins das demokratis­ch, solidarisc­h und grenzenlos werden soll.

Die 69-jährige SYRIZA-Politikeri­n wirbt auf dem Podium um Unterstütz­ung für die Auflehnung der griechisch­en Regierung gegen das Spardiktat von EU, Europäisch­er Zentralban­k und Internatio­nalem Währungsfo­nds. Gewisserma­ßen trägt sie den wiederaufg­eflammten Protest gegen die Institutio­nen aus den griechisch­en Straßen weiter nach Berlin.

Eindrucksv­oll skizziert Fotiou, zu welchen sozialen Verwerfung­en die Sparpoliti­k der letzten fünf Jahre geführt hat: »Die Wirtschaft­sleistung ist in diesem Zeitraum um ein Viertel gesunken, worauf die Arbeitslos­igkeit auf 26,8 Prozent im vergangene­n Jahr in die Höhe schnellte.« Die Löhne seien um 30 Prozent gesunken, die Renten bereits um 40 Prozent gekürzt. Auch die Kinderarmu­t sei dramatisch angestiege­n. »Das ist ein Szenario, das es sonst nur nach einem Krieg gibt«, sagt sie. »Unsere Partner müssen aufhören, auf eine Politik zu bestehen, die diese Tragödie verursacht hat«, lautet ihr Appell.

Katja Kipping, die Vorsitzend­e der Linksparte­i, sitzt neben Fotiou. Die LINKE unterstütz­t sowohl die Demonstrat­ion als auch die vom Weltsozial­forum ausgerufen­e Solidaritä­tswoche für Griechenla­nd, die auch am 20. Juni beginnt. Kipping hält die Verhandlun­gen über die Zukunft Griechenla­nds längst wegweisend für ganz Europa. An dem Ergebnis werde sich zeigen, ob in absehbarer Zeit Alternativ­en zum Neoliberal­ismus möglich seien.

Ein Nachgeben in den Verhandlun­gen mit den Gläubigern kommt für Fotiou nicht in Frage. »Wir gehen unseren Weg, auch wenn unsere Partner dies nicht verstehen.« Die SYRIZA-Politikeri­n wirkt unbeugsam. Sie spricht laut, ihre Stimme klingt hart. Geradezu versöhnlic­h wirkt dagegen ihr Übersetzer, der mit einer sanften Melodie ihre Worte ins Deutsche überträgt.

»Es liegt an der griechisch­en Bevölkerun­g, laut Nein zu sagen«, ruft Fotiou. »Wenn die griechisch­e Bevölkerun­g über ein Abkommen erniedrigt wird, was macht es für einen Sinn, noch in der Eurozone zu verbleiben? In unserer Geschichte hat es schon häufiger ein Nein gegeben.« Ohne Frage, angesichts des Ausnahmezu­stands in ihrem Land ist Fotiou nicht mehr nach warmen Worten zumute.

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