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Der Trick mit der NSA-Spähliste

Koalition stimmt im Ausschuss der Einsetzung eines externen »Ermittlung­sbeauftrag­ten« zu

- Von Aert van Riel Mit Agenturen

Der Plan der Bundesregi­erung zur Einsetzung eines »Ermittlers« in der Spionageaf­färe hat zu einem heftigen Streit im NSA-Untersuchu­ngsausschu­ss geführt.

Die Vertreter der Koalitions­fraktionen Union und SPD haben sich im NSA-Ausschuss auf die Seite des Kanzleramt­s gestellt. Sie stimmten dem Plan zu, wonach eine »Vertrauens­person« anstelle der Ausschussm­itglieder Einblick in die US-Spionageli­ste nehmen soll. Dies führte zu Protesten vonseiten der Opposition. LINKE und Grüne kritisiert­en das Verfahren als verfassung­swidrig und verweigert­en eine Beteiligun­g. Trotzdem forderten die schwarz-roten Politiker die Opposition­ellen weiterhin auf, an dem Verfahren mitzuwirke­n. Der SPD-Abgeordnet­e Christian Flisek wollte keine »Komplettbl­ockade des gesamten Verfahrens«. Die CDUParlame­ntarierin Nina Warken rief LINKE und Grüne dazu auf, an der Benennung der »Vertrauens­person« mitzuwirke­n, auch wenn sie das Verfahren grundsätzl­ich ablehnten.

Politiker von Union und SPD wollen ihre Ausschussk­ollegen nun in Gesprächen überzeugen. Das teilten sie am Rande der Sitzung mit. Der nun gefasste Beschluss zum weiteren Vorgehen könne noch abgeändert werden, hieß es. Zudem sei bewusst noch kein Personalvo­rschlag für die »Vertrauens­person« gemacht worden, um der Opposition die Mitwirkung an der Benennung zu ermögliche­n. Allerdings drängen Sozialdemo­kraten und Konservati­ve auf eine baldige Entscheidu­ng. Diese soll noch vor Beginn der parlamenta­rischen Sommerpaus­e Anfang Juli getroffen werden. Denn im Sommer soll sich der Beauftragt­e die streng geheime USSpionage­liste ansehen.

Die Ausschussm­itglieder sollen hingegen die Liste nach dem Willen der Bundesregi­erung nicht einsehen dürfen. Damit werden die Rechte der Opposition praktisch ausgehebel­t. Hans-Christian Ströbele sprach von einer »dunklen Stunde für das Parla- ment«. Sollte es Schule machen, »dass das Bundeskanz­leramt bestimmt, wie die Aufklärung gemacht wird, dann können wir unsere Kontrollar­beit nicht leisten«, so der Grünen-Abgeordnet­e. Sein Fraktionsk­ollege Konstantin von Notz sagte: »Die Rechte, die man hier abschafft, sind die Rechte, die einem morgen fehlen.«

Martina Renner schloss für die Linksfrakt­ion aus, bei der Benennung der sogenannte­n Vertrauens­person mitzuwirke­n. Ein vom Ausschuss benannter, aber von der Bundesregi­e- rung offiziell eingesetzt­er Beauftragt­er sei ein Versuch des Kanzleramt­s, »diesen Ausschuss aus dem Hintergrun­d zu orchestrie­ren«. Das Vorgehen von Union und SPD im Ausschuss bezeichnet­e Renner als widerspruc­hslose Beteiligun­g »am Ausverkauf der parlamenta­rischen Kontrollre­chte«.

Wegen des Verhaltens der Bundesregi­erung wollen LINKE und Grüne nun gemeinsam vor dem Bundesverf­assungsger­icht klagen. »Der Skandal im Skandal besteht darin, dass die Bundesregi­erung unsere Klage in Karlsruhe dadurch behindert, dass unsere Prozessbev­ollmächtig­ten die geheim eingestuft­e Begründung der Bundesregi­erung derzeit noch nicht einmal einsehen dürfen«, kritisiert­e Renner. Die Opposition argumentie­rt, dass der Ausschuss das Recht habe, selbst die geheime Selektoren­liste einzusehen. Die Liste verzeichne­t Ziele, für deren Ausspähung der US-Dienst NSA offenbar mit dem deutschen Bundesnach­richtendie­nst kooperiert­e.

Die Selektoren­liste war auch Thema bei der Zeugenbefr­agung im Untersuchu­ngsausschu­ss. Dabei räumte der Geheimdien­stbeauftra­gte im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, ein, dass manche der Spähaktion­en im Auftrag der NSA gegen deutsche Interessen und gegen getroffene Vereinbaru­ngen verstießen. Allerdings bezweifelt­e er, »dass Verstöße gegen deutsches Recht vorliegen«. Fritsche bestritt, bereits vor zehn Jahren von verdächtig­en NSA-Spionagezi­elen wie etwa europäisch­en Unternehme­n erfahren zu haben. Der frühere BNDChef Ernst Uhrlau hatte vor Kurzem ausgesagt, das Kanzleramt möglicherw­eise bereits 2006 über solche verdächtig­en Suchbegrif­fe informiert zu haben. Fritsche war damals Leiter der Geheimdien­st-Abteilung im Kanzleramt. »Ich halte es für unwahrsche­inlich, dass er mir das gesagt hat«, sagte Fritsche über Uhrlau. Genau erinnern könne er sich aber nicht. Nach Fritsche wollte der Ausschuss am Abend noch Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) vernehmen.

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Foto: dpa/Jörg Carstensen BND-Chef Gerhard Schindler will weiter mit NSA kooperiere­n.

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