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Zaun soll kein »Eiserner Vorhang« sein

Bulgariens Grenze zur Türkei stoppt Flüchtling­e und findet Ungarn als Nachahmer

- Von Thomas Roser, Lessowo

Ungarn kündigte an, mit einem vier Meter hohen Zaun seine Grenze zu Serbien für Flüchtling­e undurchläs­sig zu machen. Bulgarien hat schon einen.

Stacheldra­ht krönt Europas neue Mauer. Wie ein silbriger Lindwurm windet sich der Grenzzaun östlich des bulgarisch­en Weilers Lessowo durch Wälder und über karge Hügel. 25 Kilometer entfernt hat Kommandant Hristo Stefanow auf dem Großbildsc­hirm im Koordinati­onszentrum der Grenzpoliz­ei in Elchowo den drei Meter hohen und 30 Kilometer langen Zaun an der grünen Grenze zur Türkei fest im Blick.

Das Hauptziel des »technische­n Hinderniss­es« sei es, Schlepper zu stoppen und illegale Immigratio­n zu verhindern, so der grauhaarig­e Grenzer. Eine »falsche Interpreta­tion« sei es, von einem neuen Eisernen Vorhang zu sprechen. Bulgarien übernehme »Verantwort­ung für die Außengrenz­e der EU«.

Obwohl das ärmste EU-Mitglied als wichtigste­s Transitlan­d zwischen Europa und dem Orient gilt, hatte Bul- garien jahrelang kaum Flüchtling­e und Asylsuchen­de zu beherberge­n: Bis 2012 wurden nicht einmal 1000 Asylanträg­e registrier­t. Doch die Fertigstel­lung des Grenzzauns an der kleinen Landgrenze zwischen der Türkei und Griechenla­nd und der Krieg in Syrien lenkten im August 2013 die Flüchtling­e in Richtung der bulgarisch­en Grenze um. Die Zahl von Asylgesuch­en wuchs sprunghaft an. Statt 1000 Asylbewerb­er im Jahr registrier­ten die Behörden plötzlich 100 pro Tag: 90 Prozent von ihnen gelangten auf dem Landweg bei Lessowo über die Grenze.

Die verstärkte Grenzsiche­rung hat die Zahl der Asylanträg­e auf 200 pro Woche sinken lassen. Das illegale Zurückdrän­gen von Flüchtling­en hat Sofia Proteste der EU beschert. Doch die EU-Partner fördern die Aufrüstung der Grenze kräftig. Flüchtling­e könnten kaum noch legal nach Europa gelangen, sagt Boris Tscheschir­kow, Sprecher des Flüchtling­shilfswerk­s der Vereinten Nationen (UNHCR) in Sofia. Das Beispiel macht Schule: Kurz vor dem Weltflücht­lingstag am 20. Juni kündigte Ungarn die Abriegelun­g der EU-Außengrenz­e zu Serbien mit einem Zaun an.

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