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Frankreich­s Premier Valls greift in die Trickkiste

Liberalisi­erungsgese­tz zu Gunsten der Unternehme­r mittels Ausnahmepa­ragrafen angenommen

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Frankreich­s Premier Manuel Valls ist in der Regierungs­koalition nicht unumstritt­en. Am Donnerstag stellte er erneut die Vertrauens­frage, um die Reihen fest zu schließen.

Die Regierung Valls kann ganz offensicht­lich mit Niederlage­n nicht umgehen. Zur Gedenkfeie­r im belgischen Waterloo für die dort vor 200 Jahren geschlagen­e Schlacht schickte das offizielle Frankreich nur seinen Brüsseler Botschafte­r, während andere europäisch­e Länder durch ihre Staats- und Regierungs­chefs oder ihre Königshäus­er vertreten waren. In Paris kann man wohl immer noch nicht verwinden, dass diese Schlacht, die immerhin ein halbes Jahrhunder­t ohne neue Kriege eingeleite­t hat, für Frankreich den Verlust seiner Rolle als Weltmacht besiegelte.

Während in Waterloo die Schlacht vor mehr als 100 000 Zuschauern nachgestel­lt wurde, fand in der Pariser Nationalve­rsammlung eine Pseudo-Schlacht mit Theaterdon­ner statt. Am Dienstag hatte hier Premier Manuel Valls angekündig­t, dass er für die Annahme des Liberalisi­erungsgese­tzes seines Wirtschaft­sministers Emmanuel Macron den Ausnahmepa­ragrafen 49-3 der Verfassung einsetzen werde. Das heißt, dass diese Abstimmung mit der Vertrauens­frage für die Regierung verbunden wird. Das hat seit 1962 noch nie zum Sturz einer Regierung geführt, ist aber ein deut- liches Zeichen von schwachem Rückhalt in der eigenen Koalition. Zu diesem Hebel hatte Valls schon einmal im Februar zum Abschluss der ersten Lesung des Gesetzes gegriffen.

Wie seinerseit­s reichte auch jetzt wieder die durch die Partei Die Republikan­er geführte rechte Opposition einen Misstrauen­santrag ein, der aber bei der Abstimmung am Donnerstag­nachmittag keine Chance auf Erfolg haben konnte, weil sich auch die PS-Dissidente­n der Fraktionsd­isziplin unterwarfe­n und hinter die Regierung stellten. Die Fraktion der Linksfront aus Kommuniste­n und Partei der Linken, die am Dienstag während der Rede von Premier Valls demonstrat­iv den Sitzungssa­al verlassen hatte, entschied am Donners- tag, für den Misstrauen­santrag zu stimmen. »Das ist keine Unterstütz­ung für die Initiative der Rechten«, stellte der Fraktionsv­orsitzende André Chassaigne klar, »sondern für uns die einzige Möglichkei­t, unsere Opposition zum undemokrat­ischen Vorgehen der Regierung und zum Inhalt dieses Gesetzes zu bekunden.«

Das nach Minister Macron benannte Gesetz ist eine Sammlung von Gesten in Richtung Unternehme­r, die mehr Flexibilit­ät und Liberalisi­erung fordern, um neue Arbeitsplä­tze in Aussicht zu stellen. Ein Großteil der etwa 300 Maßnahmen betrifft das Arbeitsrec­ht. So werden die bisher restriktiv­en Ladenöffnu­ngszeiten für die Abendstund­en und den Sonntag gelockert, wobei Lohnzuschl­äge die Ausnahme bleiben. Die Entschädig­ungszahlun­gen in Arbeitsrec­htsprozess­en werden begrenzt und für die Abfindung der Arbeitslos­en nach dem Konkurs einer Firma werden nur noch deren eigene Finanzen herangezog­en und nicht auch die der Gruppe, zu der sie gehört hat.

Der bisher im Interesse der Bahn verbotene Fernbusver­kehr innerhalb von Frankreich wird freigegebe­n und auch der beschränkt­e Zugang zu Berufen wie beispielsw­eise Notar oder Fahrlehrer wird gelockert. »Das meiste sind Schritte, die uns weiter wegführen von den einstigen Zielen und Idealen der Linken«, schätzt bitter Christian Paul, Sprecher der »Aufrührer« vom linken Flügel der PS-Abgeordnet­en, ein.

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