WDR knickt vor Dortmunder Nazis ein
Radiosendung ohne Publikum / Schüsse auf Partei-Büro
Aus Sicherheitsgründen sagte der Westdeutsche Rundfunk eine LiveSendung über Dortmunder Nazis ab. Schuld sein sollen neben den als militant bekannten dortigen Rechten angeblich auch »Linksautonome«.
Dortmunds extrem aktive Nazi-Szene hat tatsächlich eine Nase gefunden, auf der sie bisher noch nicht herumgetanzt hatte. Es ist die Nase des Westdeutschen Rundfunks. Am Donnerstagabend, nach nd-Redaktionsschluss, sollte die im Radiosender WDR 5 übertragene Sendung »Stadtgespräch« ohne das bei diesem Format übliche Livepublikum stattfinden. Über das Thema »Dortmund wehrt sich gegen Neonazis: Was stoppt rechte Hetze?« sollte im zuhörerfreien Studio diskutiert werden.
Kurzfristig hatte der öffentlichrechtliche Sender beschlossen, die Sendung ohne Publikum zu produ- zieren. Die Begründung wurde auf der Webseite von WDR5 präsentiert: »Leider haben sich in den vergangenen Tagen die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremen und Linksautonomen so zugespitzt, dass wir um die Sicherheit unserer Hörer besorgt sind.«
Die Absage fand nicht auf Anraten der Polizei statt, erläuterte ein Sprecher der Behörde gegenüber »nd«. Vielmehr stehe die Polizei dem WDR »zur Gewährleistung der Sicherheit uneingeschränkt zur Verfügung«. Zwar hätten sich in den letzten Tagen rechte Aktionen gehäuft, »aber wir gehen energisch und konsequent gegen Rechtsextremisten vor«. Zahlreiche Strafverfahren gegen Rechtsextremisten und Ingewahrsamnahmen auch von Nazis würden die Entschlossenheit der Dortmunder Polizei belegen.
In einem Fall sei auch eine Anzeige gegen einen Gegendemonstranten aus dem linken Lager erstattet worden, nachdem »die Abreise der Rechten durch Linke gestört wurde«, so der Polizeisprecher. Ein Mitarbeiter der Pressestelle des WDR mochte diese Aussagen nicht kommentieren.
In Dortmund, der Nazi-Hochburg Westdeutschlands, in der seit 1999 fünf Personen durch Nazi-Hand ge-
Die Absage fand nicht auf Anraten der Polizei statt, erläuterte ein Sprecher der Behörde.
tötet wurden, kommt es immer wieder zu rechten Übergriffen und Einschüchterungen. Mehrfach gestört wurden auch öffentliche Diskussionsveranstaltungen: durch Anhänger der Pseudo-Partei »Die Rechte«. Dabei handelt es sich um die legale Nachfolgerin des vor drei Jahren wegen Gewalt-Affinität und NSDAP- Programmatik verbotenen »Nationalen Widerstands Dortmund«.
»Die Rechte« organisierte in diesen Tagen vor allem Aktionen gegen ein Protestcamp syrischer Flüchtlinge. Einige Nazis sollen dabei Polizeibeamte geschlagen haben. Zur Wochenmitte schossen bisher Unbekannte auf die Scheiben des Büros dreier Dortmunder Landtagsabgeordneter der Piraten-Partei. Die Betroffenen wähnen die Täter im »Die Rechte«-Umfeld.
Und doch bezeichnete Dortmunds Piraten-Chef Dirk Pullem die WDRAbsage als »ein verheerendes Zeichen für die politische Kultur unserer Stadt«. Der Endvierziger sprach von einer »Kapitulation vor dem rechten Mob«. Auch das Journalisten-Weblog »Ruhrbarone« kritisierte ein »Einknicken« des WDR und sprach von »Panikmache«. In Dortmund fänden im Wochentakt Veranstaltungen zur extremen Rechten statt, ohne dass es zu Störungen komme.