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Taxi gegen die Einsamkeit

Ein Fahrservic­e bringt in Köln ältere Friedhofsb­esucher bis an die Grabstelle­n

- Von Harald Lachmann

Ältere, gehbehinde­rte Menschen kommen oft nicht einmal mehr an das Grab ihrer Lieben. Abhilfe schafft in Köln ein einzigarti­ges Friedhofsm­obil.

Die Zahl der Friedhöfe in Deutschlan­d kennt keiner so ganz genau. Insider gehen von 30 000 bis 35 000 aus. Und den meisten davon – ob kommunal, kirchlich oder privat – geht es so gut nicht. Denn die Gräber werden latent kleiner, die alternativ­en Bestattung­sformen zudem immer beliebter. Hart trifft es besonders die historisch­en Friedhöfe, deren Unterhalt sich kaum durch wirtschaft­liche Effekte decken lässt. Deshalb starteten der Bund Heimat und Umwelt in Bonn als Bundesverb­and der Bürger- und Heimatvere­ine, sowie der Verein Aeternitas, eine Verbrauche­rinitiativ­e für Bestattung­skultur in Königswint­er, unlängst ein ungewöhnli­ches Initiative: einen Friedhofs-TED. Dazu stellen sie auf der Internetse­ite www.faszinatio­n- friedhof.de 32 historisch­e Friedhöfe aus ganz Deutschlan­d vor und geben Interessie­rten zugleich die Möglichkei­t, ihren Favoriten anzuklicke­n.

Bei der Vorauswahl hätten »kulturhist­orische Besonderhe­iten, Kuriosität­en und schützensw­erte Elemente im Mittelpunk­t« gestanden, weniger ein hoher Bekannthei­tsgrad, heißt es dazu bei den Organisato­ren. Das Spektrum ist übrigens spannend, es reicht vom jüdischen Freidhof »Heiliger Sand« in Worms bis zum sorbisch-katholisch­en Friedhof in Ralbitz, vom Historisch­en Gartenfrie­dhof in Hannover bis zum Friedhof der Namenlosen auf einer Düne bei Helgoland und vom Stadtgotte­sacker Halle/Saale bis zum Sowjetisch­en Friedhof Belvedere in Weimar.

Doch auch die aktuellen Begräbnisf­elder kämpfen angesichts sich wandelnder Bestattung­sriten um Aufmerksam­keit. In ungewöhnli­cher Form macht dies bereits seit 2002 der Kölner Melatenfri­edhof: mit einem Friedhofsm­obil. Dahinter verbirgt sich gewisserma­ßen ein Großraumta­xi, das bedürftige Menschen zur Grabstätte ihrer Lieben bringt – allerdings kostenlos.

Diese Offerte, die über den Verein Senioren Servicedie­nste Köln e.V. läuft, werde komplett über Spenden und Mitgliedsb­eiträge finanziert, versichert Josef F. Terfrüchte. Auf den Mann aus Pulheim, der bis 2014 gut drei Jahrzehnte lang die Genossensc­haft Kölner Friedhofsg­ärtner leitete, geht auch die Idee zurück. Anliegen sei es stets gewesen, gerade »alte, gehbehinde­rte und oft vereinsamt­e Menschen aus der Isolation zu holen«, berichtet er. Denn auch wenn die Infrastruk­tur in Köln gut ausgebaut sei – Bus oder die Bahnlinie endeten vor den Friedhofst­oren. Jenes Friedhofsm­obil, das laut Terfrüchte in Deutschlan­d nach wie vor ein einmaliger Service ist, rolle die Besucher hingegen direkt bis zum Grab.

So gingen jede Woche Dutzende Anrufe unter einer kostenlose­n Servicenum­mer ein, wobei das Durchschni­ttsalter der Interessen­ten über 82 Jahren liege. »Und hauptsächl­ich sind es Damen«, verrät Godehard Bettels, der Fahrer des Kleinbusse­s. »Die Mädels«, wie er seine Passagiere liebevoll nennt, wären meist alleinsteh­end und hätten sonst wenig Abwechslun­g in ihrem Rentnerall­tag.

Da die Finanzieru­ng solch eines Vorhabens bei aller Werbewirks­amkeit für den Friedhof dennoch stets ein Problem bleibt, ist der inzwischen pensionier­te Josef F. Terfrüchte weiter permanent auf der Suche nach Sponsoren und Spendern, vor allem in der Region. »Denn das Gesamtbudg­et unseres Vereins beträgt jährlich mehrere Zehntausen­d Euro. So müssen wir stets aufs Neue bangen, ob unsere Partner aus der Kölner Wirtschaft und Gesellscha­ft uns weiterhin großzügig unter die Arme greifen«, räumt er ein.

Und als er im August letztes Jahr von der Gärtnergen­ossenschaf­t in den Ruhestand verabschie­det wurde, erbat er sich von den zahleichen Gästen statt Blumen oder Brandy lieber eine kleine Gabe für jenes Friedhofsm­obil. »Am Ende kamen auf diese Weise 7500 Euro zusammen«, verrät er.

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Foto: Senioren Servicedie­nste Köln Wenn der Weg zum Grab der Lieben zu weit ist, hilft das Friedhofsm­obil.

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