Grimma freut sich auf die Mauer
Schutz vor Überschwemmungen soll 2018 fertig werden
Zweimal innerhalb von rund einem Jahrzehnt wurde Grimma von der Mulde überflutet. Und noch immer müssen die Menschen in dem Städtchen Sorge vor einem neuen extremen Hochwasser haben.
Malerisch zieht die Mulde in Sachsen am Städtchen Grimma vorbei. Doch das Postkartenidyll ist trügerisch. Wenn das Wasser steigt, wird der Fluss zum reißenden Ungeheuer. 2013 gab es zuletzt ein verheerendes Hochwasser. Heute, zwei Jahre danach, wird weiter an der Schutzmauer für Grimma gebaut. Momentan laufen die Arbeiten im Bereich der alten Stadtmauer. In den Ferien gehe es unterirdisch am Gymnasium weiter, sagt der Betriebsleiter bei der Landestalsperrenverwaltung, Axel Bobbe. 2013 hatten die Fluten der Mulde große Teile von Grimma südöstlich von Leipzig überschwemmt.
»Wir zählen jeden Tag«, sagt Oberbürgermeister Matthias Berger (parteilos). »An jedem Tag, der im Sommer ohne Hochwasser vergeht, machen wir drei Kreuze.« Nach seinen Worten soll die Mauer 2016 fertig sein. Bobbe hingegen spricht von 2018. Bis dahin müssten beispielsweise noch ein Pumpspeicherwerk gebaut und Stahltore eingezogen werden. Die Kosten würden etwa 45 Millionen Euro betragen. Vor kleinen oder mittleren Hochwassern sei Grimma aber jetzt schon geschützt. »Wir sind alle überrascht, wie schön diese Mauer geworden ist. So etwas, auch gestalterisch, wird es wohl sonst in ganz Deutschland nicht geben«, sagt Berger. »Wenn das fertig ist, hat Grimma erstmals einen durchgehenden Weg entlang der Mulde.«
Zweimal wurde die Stadt in jüngerer Zeit schwer von Hochwasser getroffen: 2002 und 2013. 2002 verwüsteten die Wassermassen der Mulde die historische Innenstadt. Der Fluss erreichte den höchsten je gemessenen Wasserstand – und überflutete die Altstadt bis zu 3,50 Meter hoch. Elf Jahre später bot sich ein ähnliches Bild.
Viele Grimmaer hat damals verbittert, dass die erneute Verwüstung ihres Ortes wohl hätte vermieden werden können. Denn eigentlich sollte der Hochwasserschutz schon 2012 stehen. Doch dann gab es Verzögerungen. Die Grimmaer packten erneut an, räumten auf, eröffneten ihre Geschäfte wieder. »Wir haben einen großen Schritt nach vorn gemacht«, sagt Berger. In letzter Zeit sei kaum ein Tag vergangen, an dem nicht öffentliche Einrichtungen in ihre wieder hergerichteten Büros eingezogen sind. Das Bürgerbüro und das Standesamt sind wieder an ihrem angestammten Platz. »Auch der Ratskeller ist wieder geöffnet«, sagt Berger. Kurz vor dem Landesmusikfest in der vorigen Woche wurde noch die von der Flut zerstörte Hängebrücke wieder freigegeben.
Auch für die Wirtschaft scheint das schmucke Städtchen nahe Leipzig at- traktiv zu sein. »Grimma steht voraussichtlich vor einem Gewerbesteuerrekord. Wir liegen vermutlich um mehrere Millionen über dem, was wir geplant haben«, sagt der Oberbürgermeister. Zunehmend mache sich Fachkräftemangel bemerkbar.
»Wir denken darüber nach, Einfamilienhaus-Standorte auszuweisen, um junge Leute und Familien nach Grimma zu ziehen«, so Berger. »Es gibt für jedes Kind einen KitaPlatz zu bezahlbaren Preisen, wir haben zwei Grundschulen und zwei Kindergärten neu gebaut.« Der Kommune gehe es recht gut: Die proKopf-Verschuldung liege bei 500 Euro.
Sachsen hat nach Angaben der Landestalsperrenverwaltung seit dem Augusthochwasser 2002 rund 2,1 Milliarden Euro in die Beseitigung der Schäden und den Hochwasserschutz an den sächsischen Gewässern investiert. Die Hochwasserschäden von 2002 an den sächsischen Gewässern seien unterdessen alle beseitigt.
Obwohl die Schutzanlage in Grimma erst zu 60 Prozent fertig ist, üben Rettungskräfte schon an ihr. Erst vor kurzem gab es eine Katastrophenschutzübung. 94 Feuerwehrleute waren im Einsatz. Auf einer Länge von zwei Kilometern müssten 100 Schotten und Tore schnell und sicher verschlossen werden. Im Ernstfall müsse jeder Griff sitzen, sagt der OB. Berger selbst hat in Sachen Hochwasserschutz juristischen Ärger am Hals. Er muss sich wegen leichtfertiger Gefährdung schutzwürdiger Gebiete verantworten, weil er 2014 im Stadtwald umsturzgefährdete Bäume fällen ließ. Er sieht dies als Beitrag zum Hochwasserschutz. Die Staatsanwaltschaft hält es für eine Straftat. Das Amtsgericht erließ einen Strafbefehl, Berger soll eine Geldstrafe von 14 000 Euro zahlen. Dagegen legte er Widerspruch ein. Deshalb kommt es jetzt zur Hauptverhandlung. Der OB sieht das offenbar gelassen. Er ist nicht nur gelernter Rechtsanwalt, sondern auch ausgebildeter Forstwirt.