Dann lieber Catchen
This
moment changes everything / The course of blood within your veins / Our strangers phone your skeleton / See the bones glow as they break free«. Aha. Und worum geht’s nun genau in »Change is everything«, dem zweiten Stück auf dem dritten Album von Son Lux? Um die Produktion möglichst ergreifender Bilder und Metaphern, klar. Blut, Skelett, Knochen, Ausbruch ins Freie, und gefühlte dreißig Mal der vor Pathos triefende Satz »This moment changes everything« – reine, durch nichts gestützte Behauptung. Der Satz reproduziert sich als blanke Essenz und ist darum dem Mythos ähnlich, den der Semiotiker Roland Barthes, weil er ihn für unangenehm autoritär hielt, so wenig leiden konnte.
Ist das zu streng gedacht? Mag sein. Vermutlich verhält es sich mit diesem exemplarischen Text auf »Bones« wie mit den meisten Texten im Pop: Sie dürfen sich schon ruhig nach was anhören, am besten nach Liebe, Leid und Glück. Durchdacht sein müssen sie aber keineswegs, da sie nämlich, in erster Linie, der Musik nicht im Wege herumstehen sollen.
Plattenbau
Über die Welt des Catchens schreibt Barthes in »Mythen des Alltags: »Dem Publikum ist es völlig egal, ob beim Kampf getrickst wird oder nicht, und es hat recht; es überlässt sich der primären Macht des Spektakels. Die darin besteht, jedes Motiv und jede Konsequenz zu beseitigen. Wichtig ist ihm nicht, was es glaubt, sondern was es sieht.« Das passt, wenn man Catchen durch PathosPop ersetzt und zum Sehen das Hören hinzufügt, sehr gut auch zu »Bones«, zu dieser hochfahrend überwältigenden, kunstsinnig gemeinten Arbeit aus allerlei synkopierten Beats, polyrhythmischer Percussion, überraschenden Tempowechseln, zahlreichen Breaks, interessanten Sounds und kriechend-dröhnendem Bass.
Hinter »Bones« steckt der New Yorker Multiinstrumentalist Ryan Lott, ein studierter Choreograph, außerdem der Drummer Ian Chang und der Gitarrist Rafiq Bhatia. Freilich erschöpft sich das Album nicht in seinen eher schwierigen Zutaten, sonst wäre es bloß ein typischer Fall für den IntelligentDance-Music-Underground – und nicht das große moderne Popspektakel, das es doch so sehr sein möchte. Also geht es chorstark jauchzend und jubilierend, mit niedlichen Trillern und hochmelodischen Loops, funky Jazzgitarrenlicks und getragenen Klavierakkorden auch weit nach draußen und hoch nach oben. Im Zentrum, dummerweise: das reichlich dünne, nichtsdestotrotz ungemein ausdrucksfreudige hohe Stimmchen von Lott, welches das Spektakel bekräftigt und zugleich versaut, weil es tatsächlich immer und überall herumflattert wie sonst nur das Böse. Lotts Gesang ist ein einziges barmend zitterndes Drama aus schmerzhaft gewogener Innerlichkeit, kaum zum Aushalten. Dann doch lieber Catchen.