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»Ich hätte es anders gemacht als Markus Rehm«

Die deutschen Meistersch­aften der paralympis­chen Leichtathl­eten in Berlin müssen auf ihren Star verzichten

- Von Oliver Kern

Markus Rehm plagt eine Knieverlet­zung. Nun soll Weltrekord­lerin Vanessa Low die Fans in den Berliner Jahn-Sportpark locken.

Es war die schmerzvol­lste Absage, die die Organisato­ren erhalten konnten. An jene aus Indien, Singapur oder Ghana hatten sie sich in den vergangene­n Jahren schon gewöhnt. Dass aber auch Markus Rehm in Berlin nicht an den Internatio­nalen Deutschen Leichtathl­etik-Meistersch­aften (IDM) teilnimmt, kostet die Veranstalt­er das Aushängesc­hild des deutschen paralympis­chen Sports. Jenem Athleten, der – je nach Ansicht des Betrachter­s – trotz oder wegen seiner Prothese am Unterschen­kel so weit springt wie nichtbehin­derte Sportler, schmerzt das Knie.

Bis zum Sonntag werden nun andere die Zuschauer in den Jahn- Sportpark locken müssen. Andere wie Vanessa Low. Sie ist wie Rehm Weltrekord­lerin im Weitsprung, allerdings kommt Low als doppelt oberschenk­elamputier­te Athletin mit 4,60 Meter nicht wie der Leverkusen­er an die Weiten der Nichtbehin­derten heran. Sie wird also nicht ständig verglichen, ihre Leistungen werden nicht nur auf die Federkraft ihrer Prothesen reduziert. »Ich will nicht mit Markus tauschen«, sagte sie fast schon erleichter­t am Tag vor den Meistersch­aften, bei denen Low auch über 100 und 200 Meter sprinten wird.

Athletinne­n wie Low sind es, die den sportliche­n Leiter der IDM, Ralf Otto, trotz der Absage Rehms noch von »einer sehr guten Beteiligun­g« sprechen lässt. Von den acht GrandPrix-Meetings 2015 sei Berlin das am besten besetzte. Spannende Duelle und gute Leistungen könnten die Zuschauer also immer noch erwarten, schließlic­h wollen sich viele interna- tionale Stars noch für das GrandPrix-Finale in London qualifizie­ren. Andere sprinten um Normen für die WM in Katar. »Wir haben immer mehr Starter, so dass wir einen Lauf nach dem anderen sehen werden«, sagt Otto, der hofft, dass ihn kein Regen zu einer Pause zwingen wird.

Auf den kann auch Low verzichten, denn je nasser die Bahn, desto schwierige­r ist das Laufen auf ihren Prothesen. »Einen Sieg hätte ich schon gern«, bringt sie ihre Ziele für Berlin auf einen Punkt. Dafür habe sie in den USA die vergangene­n Monate über hart gearbeitet. Nach den Paralympic­s 2012 hatte Low das schon beschlosse­ne Karriereen­de noch mal verschoben und war von Leverkusen nach Oklahoma City gezogen. Sie lernte, ihre Grenzen neu auszuloten. Aus »Das kann ich nicht« wurde »Das kann ich noch nicht«. Das Training wurde härter, doch nun springt sie weiter. Auf die finanziell­e und me- dizinische Rundumförd­erung in Deutschlan­d muss sie verzichten, der andere Weg brachte sie letztlich aber doch voran.

Auch im Fall Rehm wäre Low einen anderen Weg gegangen. »Ich hätte es nicht so gemacht«, sagte sie in Berlin. »Er kann unseren Sport natürlich mehr in die Öffentlich­keit bringen. Mehr Aufmerksam­keit ist gut. Die Leistungen haben auch angezogen. Aber ich hätte es an seiner Stelle wohl gar nicht darauf ankommen lassen.« Low wäre nicht gegen Nichtbehin­derte angetreten, da sie immer Fan der »reinen Leichtathl­etik« gewesen sei: »Wer am besten trainiert und am schnellste­n läuft, der gewinnt. Wenn Technik damit in Verknüpfun­g kommt, finde ich das unglücklic­h für die Leichtathl­etik«, sagte sie. Bedenken könne sie daher verstehen. »Das ist aber nur mein persönlich­es Ideal. Ich habe also nichts gegen das, was Markus macht«, stellt sie klar.

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