Die Osteuropaspiele
Russland dominiert in Baku, die deutschen Turnerinnen und Turner gehen daher auch im Mehrkampf leer aus
Die meisten Zuschauer kommen bei den Europaspielen in Baku aus dem Osten des Kontinents. Die Medaillen gehen auch wieder dorthin. So auch im Kunstturnen.
Man könnte diese Europaspiele auch Osteuropaspiele taufen, jedenfalls wenn man Zuschauerzuspruch, Medienpräsenz und Medaillenverteilung zum Maßstab nimmt: Edelmetall geht bei diesen Spielen vor allem an Athleten aus dem Osten des Kontinents, an dessen äußerster östlicher Grenze diese Premierenspiele ja auch ausgerichtet werden. Russland 21 mal Gold, Aserbaidshan elf, Ungarn sieben, Belarus sechs – so sah es am Donnerstagabend an der Spitze der Medaillenwertung aus, die natürlich wie immer keine Rolle spielen soll, aber beispielsweise in einheimischen Medien im Mittelpunkt des Interesses steht.
Auch im Mediendorf wird vorwiegend Russisch gesprochen, es wimmelt von Reportern aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, während aus Deutschland gerade mal zwei Zeitungen in Baku vor Ort sind: »nd« und das »Hamburger Abendblatt«. Die »FAZ« hatte ihren Reporter nur für den Anfang der Spiele geschickt.
Und so laufen denn die Spiele ziemlich unbeachtet vom Interesse der Westeuropäer. In Deutschland freut sich der Nischensender Sport1 über Einschaltquoten von 2,1 Prozent, die deutlich über seinem Durchschnitt liegen und in Baku erfreuen sich die Organisatoren an der Tatsache, dass in immerhin 45 von 50 Ländern die Spiele zu empfangen sind. Allein in Malta, Island, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro gibt es keine bewegten Bildern von den Spielen im TV zu sehen.
Die Dominanz des Ostens war am Donnerstag auch beim Mehrkampf der Turner in der »Milli Gimnastika
Sophie Scheder Arenası« zu erleben, wo der Deutsche Turner-Bund mit Fabian Hambüchen und Sophie Scheder gleich zwei Medaillenkandidaten im Rennen hatte. Die Turnarena, die 9000 Menschen fasst, war am Donners- tagabend prall gefüllt, man sah reichlich Fahnen Aserbaidshans, dazu ein paar russische und ukrainische Flaggen – und gekreischt wurde vor allem, wenn einheimische Turner an die Geräte gingen.
Fabian Hambüchen als auch Sophie Scheder verpassten die Medaillen am Ende nur knapp – der Wetzlarer landete nach Patzern am Pauschenpferd und beim Sprung auf dem fünften Rang, Sophie Scheder auf dem unglücklichen vierten Platz. Nur 0,13 Punkte fehlten ihr zum Bronzerang, die entscheidenden Zähler hatte sie an ihrem Paradegerät, dem Stufenbarren, verloren, wo sie mitten in ihrer Übung auf der Matte gelandet war. »Ich bin enttäuscht. Aber weniger über meinen Sturz, eher über meine Leistung am Boden«, befand Scheder, die eine schwierige Übung geturnt hatte. Sie will nun unbedingt im Stufenbarren-Gerätefinale am Samstag eine Medaille holen.
An der Spitze lief dann auch beim Turnen alles wie gewohnt. Die ersten Einzel-Goldmedaillen gingen an Alija Mustafina aus Russland und Oleg Verniaiev aus der Ukraine. Überraschend war allenfalls, dass Aserbaidshan eine Silbermedaille bei den Männern holen konnte: Sie ging an Oleg Stepko. Der Turner mit dem volltätowierten Oberkörper hat bereits 2014 den ukrainischen Verband verlassen, um für Aserbaidshan zu starten. Bei seinen Auftritten tobten die Fans.
Seit Donnerstag haben die Premierenspiele auch den ersten Doper: Bei dem albanischen Boxer Rexhildo Zeneli wurde Furosemid, ein entwässerndes Präparat, nachgewiesen. Der Albaner musste abreisen, noch bevor er überhaupt am Boxturnier teilgenommen hatte.
»Ich bin enttäuscht. Aber weniger über meinen Sturz, eher über meine Leistung am Boden«