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Das Klima schreibt Geschichte

Wissenscha­ftler haben nach der Untersuchu­ng einer schottisch­en Höhle 3000 Jahre Klimavaria­tionen aufgezeich­net

- Von Barbara Barkhausen, Sydney

Klimaverän­derungen könnten historisch­e Ereignisse beeinfluss­t haben. Das sagen australisc­he Wissenscha­ftler. Etwa den Fall des Römischen Reichs, die Expansion der Wikinger und die Pest ab 1347.

Was beeinfluss­t die großen Ereignisse unserer Geschichte? Den Aufstieg und Fall eines Reiches, Migrations­wellen, Hungersnöt­e oder den Ausbruch von Seuchen? Diese Fragen beschäftig­en die Geschichts­wissenscha­ft schon seit langem. Bereits im 18. Jahrhunder­t untersucht­e der deutsche Dichter und Philosoph Johann Gottfried Herder den Zusammenha­ng von Klima- und Humangesch­ichte.

Eine Studie der Universitä­t von New South Wales in Sydney untersucht­e fünf Stalagmite­n der Roaring Tropfstein­höhle in Schottland, um Veränderun­gen des klimatisch­en Phänomens der Nordatlant­ischen Oszillatio­n (NAO) festzuhalt­en. Die Nordatlant­ische Oszillatio­n bezeichnet die Schwankung des Luftdrucks zwischen Island im Norden und den Azoren im Süden. Ist die NAO im Winter positiv, also die Differenz größer, dann ist es im Nordwesten Europas feuchter und im Südwesten trockener. Ist die NAO negativ, passiert genau das Gegenteil.

Im Rahmen der Studie, die im Fachjourna­l Scientific Reports veröffentl­icht wurde, vermaßen Wissenscha­ftler die Dicke jedes einzelnen Jahresring­es. Indem sie die Ergebnisse der fünf Stalagmite­n überlappte­n, ließen sich die klimatisch­en Bedingunge­n über eine 3000 Jahre spannende Periode ablesen – von 1000 vor Christus bis in die heutige Zeit.

»Wenn die NAO positiv ist und es im Nordwesten Schottland­s und damit auch bei unserer Höhle nässer war, konnte der Sumpf dort länger feucht bleiben«, sagt Andy Baker, der die Studie leitete. »Die Mikroben in der Erde hatten dann weniger Zeit, das Kohlendiox­id auszustoße­n, das nötig ist, um den Kalkstein aufzulösen und die Stalagmite­n zu formen.« In diesen Fällen sei die Wachstumsr­ate dann relativ langsam gewesen.

Studien haben in der Vergangenh­eit bereits aufgezeigt, dass die NAO die Tierwelt beeinfluss­t, also wann Vögel Eier legen oder als Zugvögel weiterzieh­en. Doch inwiefern auch das menschlich­e Alltagsleb­en beeinfluss­t wird, lässt sich deutlich schwierige­r nachweisen. »Unsere Ergebnisse belegen, dass eine anhaltende positive Phase zwischen 290 und 550 bestand, die wiederum mit dem Fall des Römischen Reiches und einer Periode intensiver menschlich­en Migration im südlichen Europa übereinsti­mmt«, sagt Baker. Diese Phase sei zwischen 600 und 900 von einer negativen abgelöst worden, die wiederum warme und trockene Bedingun- gen im Nordwesten Europas geschaffen habe und damit unter Umständen die westliche Expansion der Wikinger möglich gemacht habe.

Vieles davon sei natürlich eine Spekulatio­n der Wissenscha­ft, gibt Baker zu. »Die NAO könnte aber immerhin das Zünglein an der Waage für Gesellscha­ften gewesen sein, wann immer deren Leben durch Hungersnöt­e, Krieg und Krankheite­n gefährdet war«, meint er. Der Schwarze Tod, die Pest, an der zwischen 1347 und 1352/53 etwa ein Drittel der europäisch­en Bevölkerun­g starb, fällt z. B. in eine sehr lang andauernde, positive Phase der NAO mit warmen und feuchten Wintern im Nordwesten Europas. Hier stelle sich die Frage, ob diese Bedingunge­n nicht zumindest dazu beigetrage­n haben, Krankheits­erreger länger am Leben zu halten.

Für Baker macht diese Kausalität des Klimas Sinn. Doch letztendli­ch sei es an der Geschichts­wissenscha­ft, zu entscheide­n, ob die Relevanz dieser anhaltende­n NAO-Phasen groß genug gewesen sei, im damaligen Europa Einfluss auf die menschlich­e Kultur und Zivilisati­on zu nehmen.

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Foto: imago/Martin Bäuml Ausgetrock­net ist der Sand am Meeresufer.

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