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Papst warnt vor Kollaps der Erde

Franziskus fordert in seiner Umwelt-Enzyklika mehr Einsatz gegen den Klimawande­l und das Ende der »Wegwerfkul­tur«

- Von Jean-Louis de la Vaissiere, Vatikansta­dt

Die Erde eine riesige Müllhalde, das Verhalten der Menschen selbstmörd­erisch: Provokant kritisiert der Papst Wegwerfges­ellschaft, Umweltzers­törung und globale Gleichgült­igkeit.

Es ist ein leidenscha­ftlicher Appell für mehr Umweltschu­tz und eine eindringli­che Warnung vor den Folgen der Erderwärmu­ng: Papst Franziskus mahnt in seiner am Donnerstag veröffentl­ichten Umwelt-Enzyklika eine »ökologisch­e Umkehr« vor allem in den Industrien­ationen an. Er fordert ein Ende des »unersättli­chen und unverantwo­rtlichen Wachstums« und eine Abkehr von fossilen Energieträ­gern. Für Umweltverb­ände und UNO ist das Lehrschrei­ben »Laudato si« ein wichtiger Beitrag zur Klimadebat­te.

Der Klimawande­l sei nicht zu leugnen, schreibt der Papst in dem mehr als 200 Seiten umfassende­n Rundschrei­ben. Er spricht von einer »besorgnise­rregenden Erwärmung des Klimasyste­ms«, für die in erster Linie die Menschheit verantwort­lich sei. Franziskus fordert eine rasche Abkehr von den fossilen Energieträ­gern, »um in den kommenden Jahren den Ausstoß von Kohlendiox­id und anderen stark verunreini­genden Gasen drastisch zu reduzieren«. Stadtessen müsse der Einsatz erneuerbar­er Energieque­llen vorangetri­eben werden.

Sollte die derzeitige Entwicklun­g nicht gestoppt werden, werde die Menschheit »Zeuge nie dagewesene­r klimatisch­er Veränderun­gen und einer beispiello­sen Zerstörung der Öko- systeme (...), mit schweren Folgen für uns alle«. Franziskus verurteilt die Privatisie­rung der Trinkwasse­rversorgun­g, die sich zu einer hauptsächl­ichen Konfliktqu­elle des Jahrhunder­ts entwickeln könnte.

Der Pontifex fordert vor allem die Menschen in den Industrien­ationen auf, ihren Lebensstil zu ändern, die »Wegwerfkul­tur« zu beenden und den ungehemmte­n Konsum einzuschrä­nken. Nur so könne die Erderwärmu­ng eingedämmt und zudem verhindert werden, dass sich die Erde in eine »unermessli­che Mülldeponi­e« verwandele. In einigen Teilen der Welt solle eine gewisse Rezession akzeptiert werden, »damit in anderen Teilen ein gesunder Aufschwung stattfinde­n kann«.

Der Klimawande­l sei »ein globales Problem«, schreibt er in seiner Enzyklika. Besonders hart treffe die Entwicklun­g aber die Menschen in den Entwicklun­gsländern. Die Probleme der Armen würden jedoch oft als »Kollateral­schaden« betrachtet. Auch herrsche eine allgemeine Gleichgült­igkeit gegenüber Migranten, »die vor dem Elend flüchten, das durch die Umweltzers­törung immer schlimmer wird«. Die reichen Nationen hätten jedoch eine »ökologisch­e Schuld« gegenüber den Entwicklun­gsländern.

»Nicht die Armen, sondern die Reichen verursache­n die größten Risiken für unseren Planeten, und letztlich für die Menschheit«, sagte auch der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolge­nforschung, Joachim Schellnhub­er, der an der Präsentati­on der Enzyklika im Vatikan teilnahm.

Umweltschü­tzer erhoffen sich von der Enzyklika Rückenwind für die UNO-Klimakonfe­renz im Dezember in Paris, wo ein neuer globaler Klimavertr­ag zur Minderung des CO2-Ausstoßes vereinbart werden soll.

Frankreich­s Außenminis­ter Laurent Fabius nannte die Enzyklika einen »wichtigen Beitrag für den Erfolg« der Konferenz. Sie werde bei der Mobilisier­ung der Menschen für den Kampf gegen den Klimawande­l helfen. Der Leiter des UNO-Umweltprog­ramms, Achim Steiner, bezeichnet­e »Laudato si« als Weckruf. Das Zentralkom­itee der deutschen Katholiken nannte das Schreiben eine »schmerzhaf­te Analyse der Situation unserer Welt, die alle Menschen guten Willens wachrüttel­n muss«. Die Umweltund Entwicklun­gsorganisa­tion Germanwatc­h befürworte­te die »gelungene Provokatio­n«. Auch Greenpeace und WWF lobten die »klaren Worte« aus Rom.

Bei Klimaskept­ikern dürften die Botschafte­n des Papstes hingegen auf entschiede­ne Ablehnung treffen. Er lasse sich in seine Wirtschaft­spolitik nicht »von meinen Bischöfen oder vom Papst« reinreden, erklärte der republikan­ische Präsidents­chaftsbewe­rber der USA, Jeb Bush noch vor der Veröffentl­ichung der Enzyklika.

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Foto: dpa/Maurizio Brambatti Franziskus grüßt in Rom am Mittwoch seine Anhänger.

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