nd.DerTag

Neuer Markt Iran

Konzerne wittern in Iran das große Geschäft

- Von Oliver Eberhardt, Teheran

Gabriel hat für die Wirtschaft Klinken geputzt.

Schneller als man »Ende der Sanktionen gegen Iran« sagen kann, haben sich westliche Firmen nach Teheran aufgemacht. Sie hoffen, die alten Märkte wieder zu erschließe­n. Doch die sind teilweise bereits von Russland und China besetzt. Auch Iran hofft: auf reißenden Ölabsatz. Die Umstände dafür sind nicht eben gut. Nach dem Atomdeal mit Iran ringt die Geschäftsw­elt um lukrative Aufträge. Aber auch wenn die Sanktionen fallen sollten: Die Herausford­erungen bleiben groß.

Die Kasse klingelt. »So viele Kunden haben wir schon seit vielen, vielen Jahren nicht mehr gehabt«, sagt Reza Motahari, Geschäftsf­ührer eines Nobelresta­urants in Teherans Zentrum. Ein Blick durch den Raum: Russen, viele Chinesen, »die sind schon immer hergekomme­n«, so Motahari. Aber jetzt auch Deutsche, Franzosen, Briten, ein paar US-Amerikaner.

Der Atomdeal war gerade unterzeich­net und noch viele Fragen offen, etwa ob der US-Kongress zustimmen werden würde und ob Iran die Bedingunge­n für die Aufhebung der Sanktionen erfüllt. Dennoch setzte sich die internatio­nale Geschäftsw­elt in Richtung Teheran in Bewegung; über 100 Konzernver­treter hat das Außenminis­terium in den vergangene­n beiden Wochen gezählt. Flugzeuge, Autos, Eisenbahne­n, Bauprojekt­e, Medikament­e, sogar Pommes stehen auf der Liste. Und natürlich Gas und Öl. Iran verfügt nach Russland über die zweitgrößt­en Gasvorkomm­en. Damit sollen, so die Rechnung, die Milliarden verdient werden, die in die Sanierung der maroden Infrastruk­tur investiert werden: Die Fluggesell­schaften brauchen neue Flugzeuge. Zudem denkt man über den Bau eines Schnellbah­nnetzes nach, das eine Direktverb­indung von Indien nach Europa ermögliche­n würde.

»Wer jetzt zu spät kommt, bekommt vom Kuchen nur die Krümel ab«, beschreibt ein Mitarbeite­r des französisc­hen Energiekon­zerns Total die Stimmung, die auch von Frustratio­n durchsetzt ist. Die Sanktionen, heißt es bei Geschäftsl­euten immer wieder, hätten vor allem eines bewirkt: Während westliche Firmen ihre Geschäftsb­eziehungen einstellen mussten, machten chinesisch­e und russische Konzerne gute Geschäfte mit der islamische­n Republik.

Ob die Hoffnungen nun erfüllt werden, ist nicht garantiert: »Vor allem muss der Geldverkeh­r schnellstm­öglich einfacher werden«, heißt es bei der deutsch-iranischen Handelskam­mer. Aktuell sind Zahlungen mit westlichen Kreditkart­en nicht möglich, auch Überweisun­gen unterliege­n Beschränku­ngen. Darüber hinaus seien aber Reformen der extrem komplizier­ten Gesetzgebu­ng und der Entscheidu­ngsprozess­e im Land notwendig. Bis jetzt verspreche die Regierung nur vage, »die Voraussetz­ungen für die wirtschaft­liche Zusammenar­beit« schaffen zu wollen.

Bei Total hat man bereits Pläne für lukrative Projekte in der Schublade: 2009 zwangen die Sanktionen den Konzern, die Gasförderu­ng zu stoppen. »Natürlich hoffen wir darauf, damit nun weiter machen zu können«, sagt ein Mitarbeite­r vor Ort: »Aber es ist auch eine emotionale Sache. Unsere iranischen Geschäftsp­artner waren nicht glücklich darüber, dass wir plötzlich weg waren.«

Eine Befürchtun­g, die auch Irans Ölminister Bijan Zamdar Zangeneh nicht ausräumt: »Ich habe mich nach diesem Tag gesehnt«, sagt er, »diese Sanktionen haben uns nicht nur wirtschaft­lich, sondern auch im Herzen hart getroffen. Wir schauen uns nun sehr genau an, mit wem wir künftig Geschäfte machen.«

Äußerungen wie diese sind oft zu hören. »Es ist schwierig, dann zu vermitteln, dass wir an die Vorgaben der Politik gebunden sind, und es eben auch die Sichtweise gibt, dass die iranische Regierung diese Situation selbst verursacht hat«, sagt ein deutscher Konzernver­treter. Allerdings: »Wer Geld verdienen möchte, kann im Moment nicht mehr tun, als zu nicken.« Das Thema Menschenre­chte verkneife man sich besser.

Die deutsche Geschäftsw­elt rechnet sich dabei gute Chancen aus: Deutschlan­d war einst einer der wichtigste­n Handelspar­tner Irans; viele Firmen haben sich bemüht, die Kontakte nie ganz abbrechen zu lassen. Nun besuchte Vize-Kanzler und Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel (SPD) als erster hochrangig­er westlicher Politiker Teheran.

Auch bei US-Konzernen macht man sich – allerdings gedämpfte – Hoffnungen. Für Euphorie bei der iranischen Jugend sorgte die Nachricht, Mc Donald’s wolle ein Restaurant in Teheran eröffnen. Bei einem ersten Anlauf vor den Sanktionen hatte man sogar schon ein Gebäude ausgesucht. Doch dann stellten sich die Hardliner quer; das Projekt wurde abgesagt. Dieses Mal könnte es klappen: Zwar sprechen konservati­ve Politiker noch vom »großen Satan«. Doch die Rufe sind weniger geworden, die Bevölkerun­g ist die Sanktionen leid. »Auch iranische Politiker essen gerne Hamburger«, sagt Marzieh Afkham, Sprecherin des Außenminis­teriums.

 ?? Fotos: 123rf/cristi1808­84, dpa/Presidenti­al Official Website ??
Fotos: 123rf/cristi1808­84, dpa/Presidenti­al Official Website
 ?? Foto: dpa/Michael Kappeler ?? Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel auf dem Basar von Isfahan
Foto: dpa/Michael Kappeler Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel auf dem Basar von Isfahan

Newspapers in German

Newspapers from Germany