Pappkamerad
Man mag es nicht glauben, aber auch auf den ersten Blick leblose Dinge sind in der Lage, sich mit der Zeit zu verändern. Man denke etwa an einen liegengebliebenen Haustierkadaver, an einen lange im hinteren Teil des Kühlschranks vergessenen Teller Spaghetti oder die SPD.
Mehr noch als das: Mit stetiger Erneuerung, Innovation, Modernisierung, mit immer neuen Updates und kreativen Auslegungen des Parteiprogramms hat die SPD sich im Verlauf der letzten 100 Jahre sogar besonders hervorgetan. Ganz klar: Da waren die Sozis führend. Das für das 20. Jahrhundert wegweisende Konzept Weltkrieg beispielsweise wurde von ihnen bereits in seiner Frühphase überaus erfolgreich getestet. Auch auf vielen anderen wichtigen Politikfeldern (z.B. »Wirtschaft«, Gewerkschaftsverarsche, Korruption) hat die SPD in den letzten 20 Jahren gewaltige Fortschritte gemacht. Immer war und ist die SPD ganz vorne mit dabei!
Auch was die Imagepflege angeht, unternimmt die SPD derzeit zahlreiche Anstrengungen, um die Stoßrichtung ihrer Politik künftig weniger abstrakt zu vermitteln und ihre Vision klarer zu machen. Was offiziell als »Sanierung« der Berliner Parteizentrale ausgegeben wird, ist bei genauerem Hinsehen eine clevere PR-Kampagne: Die überlebensgroße Bronzeskulptur, die den ehemaligen SPD-Vorsit- zenden Willy Brandt darstellt (aus der Partei Ausgetretene werden sich noch an ihn erinnern) und die bisher das Atrium des WillyBrandt-Hauses schmückte, wurde entfernt. »An ihrer Stelle«, so ist aus der »Berliner Zeitung« zu erfahren, steht jetzt »eine riesige Holzkiste«. Ein SPD-Wähler äußert sich begeistert über die Aktion: »Werbetechnisch ist das super gelungen! Wie könnten wir den Wählern die Politik der SPD noch besser nahebringen als mit einem Sarg, in dem Willy Brandt liegt? Toll!«
Als Ersatz für die Bronzeskulptur hat man nun in dem Gebäude einen »zweidimensionalen Ersatz-Willy« aufgestellt, berichtet die »Berliner Zeitung«. Der aber sei »lediglich aus Pappe«. Wir wissen nicht, was die SPD uns damit jetzt wieder sagen will.