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Sozialdemo­kraten schielen nach rechts

Landespoli­tiker der SPD sind offen für schnellere Abschiebun­gen von Flüchtling­en aus Balkanstaa­ten

- Von Aert van Riel

SPD und Grüne diskutiere­n über Verschärfu­ngen des Asylrechts, die sich gegen Schutzsuch­ende vom westlichen Balkan richten.

Die Empörung über die CSU, die Flüchtling­en aus Südosteuro­pa pauschal Asylmissbr­auch unterstell­t, ist in diesen Tagen groß. Neben LINKEN und Grünen warfen auch Sozialdemo­kraten den bayerische­n Konservati­ven rhetorisch­e Brandstift­ung und Populismus vor. Diese verbale Abgrenzung konnte aber nicht darüber hinwegtäus­chen, dass es auch in der SPD Bestrebung­en gibt, eine große Zahl von Schutzsuch­enden schnell loszuwerde­n. Niedersach­sens Regierungs­chef Stephan Weil sprach sich in der »Hannoversc­hen Allgemeine­n Zeitung« dafür aus, abgelehnte Asylbewerb­er konsequent abzuschieb­en. Zudemforde­rtederSPD-Mannvonder Bundesregi­erung »eine erhebliche Beschleuni­gung von Asylverfah­ren«. Weil begründete seinen Vorstoß damit, dassAufnah­meeinricht­ungenund einige niedersäch­sische Kommunen an ihre Grenzen kämen. Flüchtling­e für diese Situation verantwort­lich zu machen, ist allerdings absurd. Das Problem liegt vielmehr beim Bund, der zu wenig Unterstütz­ung leistet.

Die Forderunge­n Weils decken sich mit den Plänen der CSU, die Schutzsuch­ende vom Balkan mit geringer Chance auf Asyl in neu errichtete­n Abschiebel­agern unterbring­en will. Der bayerische Flüchtling­srat kritisiert­e, dass ihnen Arbeitsver­bote, Sachleistu­ngen und die völlige Isolation aufgrund der grenznahen Lage in Südbayern drohten. »Eine asylrechtl­iche Beratung ist so praktisch unmöglich und hindert Flüchtling­e daran, die rechtsstaa­tlich garantiert­en Rechtsmitt­el überhaupt nutzen zu können«, so der Flüchtling­srat.

Menschen aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowin­a können leichter in ihre Heimatländ­er abgeschobe­n werden, seit die Große Koalition diese Länder im Jahr 2014 zu »sicheren Herkunftss­taaten« erklärt hat. Dass dort vielen Roma der Zugang zu sozialen Rechten wie Trink- wasser und Sanitärver­sorgung, Wohnen, Bildung, Arbeitsmar­kt und Gesundheit­ssystem verweigert wird, ignorierte­n Christ- und Sozialdemo­kraten bei ihrer Entscheidu­ng. Auch die baden-württember­gischen Grünen hatten der Asylrechts­verschärfu­ng im Bundesrat zugestimmt.

Bislang hat sich die SPD dagegen gesperrt, auch Albanien, Montenegro und Kosovo als »sichere Herkunftss­taaten« einzustufe­n. Doch hinter den Kulissen diskutiere­n Sozialdemo­kraten und Grüne ernsthaft über diese Option. Hamburgs Bürgermeis­ter Olaf Scholz (SPD) wirbt seit Wochen dafür, weitere Staaten des Westbalkan­s in die Liste aufzunehme­n. Sein Bremer Amtskolleg­e Carsten Sieling schloss dies im Gespräch mit dem »Deutschlan­dfunk« nicht aus. In Bremen werde die Einstufung der Balkanländ­er geprüft, sagte der SPD-Politiker. Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) zeigte sich hierfür ebenfalls offen. Im Unterschie­d zur Union wollen SPD und Grüne allerdings, dass qualifizie­rte Flüchtling­e, die gute Chancen auf dem deutschen Arbeitsmar­kt haben, in Deutschlan­d bleiben. Möglicherw­eise sind dies die Grundzüge für einen weiteren »Asylkompro­miss«, der die Situation vieler Flüchtling­e verschärfe­n würde.

Derzeit sind weltweit knapp 60 Millionen Menschen auf der Flucht vor Kriegen, Konflikten und Verfolgung. Deutschlan­d und die anderen EUStaaten wollen nur eine kleine Minderheit aufnehmen. Diese Menschen würden wie unerwünsch­te Objekte hin- und hergeschob­en, kritisiert­e Ulla Jelpke. Die LINKE-Politikeri­n bezog sich auf das Treffen der EU-Innenminis­ter vom Montagaben­d. Da- bei wurde die angestrebt­e Verteilung von 60 000 Flüchtling­en erneut verfehlt. Die Politiker einigten sich in Brüssel über das Schicksal von 54 760 Menschen. Deutschlan­d nimmt 12 100 Schutzsuch­ende auf.

Zudem sollen 22 504 Menschen aus Ländern außerhalb der EU aufgenomme­n werden. Dabei geht es um Flüchtling­e aus Lagern nahe der syrischen Grenze. Gute Chancen auf Asyl haben Menschen aus Irak, Syrien, Eritrea und Somalia. 1600 von ihnen werden voraussich­tlich in der Bundesrepu­blik unterkomme­n.

Weitere 32 256 Migranten sollen aus Italien und Griechenla­nd auf andere EU-Länder verteilt werden. Ziel sind hier nach wie vor 40 000 Plätze bis Jahresende. Deutschlan­d hat die Aufnahme von 10 500 Flüchtling­en aus diesen Ländern zugesagt. Griechenla­nd und Italien sehen sich als Staaten an der EU-Außengrenz­e überforder­t. Nach dem Dublin-Abkommen ist jener Mitgliedss­taat, auf dem ein Flüchtling erstmals den Boden der EU betreten hat, zuständig für das Asylverfah­ren.

Knapp 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Die Europäisch­e Union will aber nur eine kleine Minderheit aufnehmen.

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