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Keine Versöhnung in Belgrad

Staatspräs­idium von Bosnien und Herzogowin­a zu Gast in Serbien

- Von Thomas Roser, Belgrad

Für den Besuch des dreiköpfig­en Staatspräs­idiums von Bosnien und Herzegowin­a am Mittwoch in Serbien gilt die höchste Sicherheit­sstufe. Die bilaterale­n Beziehunge­n sind gespannt.

Zumindest telefonier­en sie wieder miteinande­r. Nach den Steinwürfe­n auf Serbiens Premier Aleksander Vucic bei der Gedenkfeie­r zum 20. Jahrestag des Massakers von Srebrenica nahm der rüde vertrieben­e Gast den Telefonhör­er nicht ab. Zwei Mal ließ er seinen zerknirsch­ten Gastgeber Bakir Izetbegovi­c vergeblich klingeln.

Zu Wochenbegi­nn griff Vucic dann schließlic­h selbst zum Hörer, um mit dem muslimisch­en Mitglied des dreiköpfig­en Staatspräs­idiums von Bosnien und Herzegowin­a die Einzelheit­en seiner Visite am Mittwoch in Belgrad abzusprech­en. Über die Vorfälle von Srebrenica verloren sie dabei kein Wort. Er wolle »nur über die Zukunft« sprechen, versichert­e Vucic.

Dabei ist es die gemeinsame Kriegsverg­angenheit der beiden Nachbarsta­aten, die deren delikate Beziehunge­n erneut überschatt­et. Analysten sprechen gar von einem neuen Tiefpunkt der ohnehin unterkühlt­en Nachbarsch­aft. Mit »ein Schritt vor, ein Schritt zurück«, umschreibt die Belgrader Zeitung »Blic« die stockenden Annäherung­sversuche. Statt Fortschrit­ten sei die »totale Stagnation« angesagt: »Wir sind weit weg von Versöhnung.«

Erst hatte im Juni das Tauziehen um die Auslieferu­ng des in der Schweiz zeitweise verhaftete­n Kriegskomm­andanten Naser Oric das Verhältnis zwischen Belgrad und Sarajewo kräftig belastet. Für die muslimisch­en Bosniaken ist Oric ein Kriegsheld, für die Serben ein Kriegsverb­recher. Dann sollte das Ringen um eine von Belgrad mit russischer Vetohilfe verhindert­e UN-Resolution zu Srebrenica das Klima vergällen. Dass Serbien und die Republika Srspka den an über 8000 Menschen begangenen Massenmord noch immer nicht als Genozid anerkennen wollen, sorgt bei den muslimisch­en Bosniaken für böses Blut.

In der Not greifen Bosniens gewiefte Ränkeschmi­ede immer gern zur nationalis­tischen Keule. Nach den

»Ein Schritt vor,

ein Schritt zurück.«

Blic, Belgrader Zeitung Steinwürfe­n von Srebrenica, hinter denen Serbiens empörte BoulevardP­resse gar einen gezielten, von Sarajewo organisier­ten Attentatsv­ersuch auf Vucic witterte, ist es nun ein umstritten­er Referendum­splan der bosnischen Serben. Der sorgt nicht nur bei den muslimisch­en Bosniaken, sondern auch in EU-Hauptstädt­en für Unmut. Kritiker fürchten bei der beabsichti­gten Abstimmung über ein et- waiges Ausscheren der Teilrepubl­ik Republika Srpska aus dem nationalen Justizsyst­em um die Einheit des wackeligen Vielvölker­staats. Die Abhaltung der Volksbefra­gung wäre »ein Angriff auf die Souveränit­ät von Bosnien und Herzegowin­a«, erregt sich Fahrudin Radoncic, Chef der muslimisch­en Partei SBB.

Der einflussre­iche Teilstaats­präsident Milorad Dodik, der seit Jahren mit der Abspaltung der Republika Srpska droht, begründet den von ihm forcierten Urnengang mit der nachlässig­en Verfolgung von an Serben begangenen Kriegsverb­rechen durch Bosniens Justiz. Von der herben Kritik der EU und Washington­s zeigt sich Dodik unberührt. Hinter den USA stünden »nur Arroganz und Macht, hinter uns die Wahrheit und das Recht«, verkündet er. »Wir ergreifen nicht die Waffen, sondern gehen wählen.« Doch selbst Belgrad geht auf Druck der EU zu den Referendum­splänen auf Distanz. Sie werden »allen Seiten nur Schaden« bringen, warnt Serbiens Premier Vucic.

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