Keine Versöhnung in Belgrad
Staatspräsidium von Bosnien und Herzogowina zu Gast in Serbien
Für den Besuch des dreiköpfigen Staatspräsidiums von Bosnien und Herzegowina am Mittwoch in Serbien gilt die höchste Sicherheitsstufe. Die bilateralen Beziehungen sind gespannt.
Zumindest telefonieren sie wieder miteinander. Nach den Steinwürfen auf Serbiens Premier Aleksander Vucic bei der Gedenkfeier zum 20. Jahrestag des Massakers von Srebrenica nahm der rüde vertriebene Gast den Telefonhörer nicht ab. Zwei Mal ließ er seinen zerknirschten Gastgeber Bakir Izetbegovic vergeblich klingeln.
Zu Wochenbeginn griff Vucic dann schließlich selbst zum Hörer, um mit dem muslimischen Mitglied des dreiköpfigen Staatspräsidiums von Bosnien und Herzegowina die Einzelheiten seiner Visite am Mittwoch in Belgrad abzusprechen. Über die Vorfälle von Srebrenica verloren sie dabei kein Wort. Er wolle »nur über die Zukunft« sprechen, versicherte Vucic.
Dabei ist es die gemeinsame Kriegsvergangenheit der beiden Nachbarstaaten, die deren delikate Beziehungen erneut überschattet. Analysten sprechen gar von einem neuen Tiefpunkt der ohnehin unterkühlten Nachbarschaft. Mit »ein Schritt vor, ein Schritt zurück«, umschreibt die Belgrader Zeitung »Blic« die stockenden Annäherungsversuche. Statt Fortschritten sei die »totale Stagnation« angesagt: »Wir sind weit weg von Versöhnung.«
Erst hatte im Juni das Tauziehen um die Auslieferung des in der Schweiz zeitweise verhafteten Kriegskommandanten Naser Oric das Verhältnis zwischen Belgrad und Sarajewo kräftig belastet. Für die muslimischen Bosniaken ist Oric ein Kriegsheld, für die Serben ein Kriegsverbrecher. Dann sollte das Ringen um eine von Belgrad mit russischer Vetohilfe verhinderte UN-Resolution zu Srebrenica das Klima vergällen. Dass Serbien und die Republika Srspka den an über 8000 Menschen begangenen Massenmord noch immer nicht als Genozid anerkennen wollen, sorgt bei den muslimischen Bosniaken für böses Blut.
In der Not greifen Bosniens gewiefte Ränkeschmiede immer gern zur nationalistischen Keule. Nach den
»Ein Schritt vor,
ein Schritt zurück.«
Blic, Belgrader Zeitung Steinwürfen von Srebrenica, hinter denen Serbiens empörte BoulevardPresse gar einen gezielten, von Sarajewo organisierten Attentatsversuch auf Vucic witterte, ist es nun ein umstrittener Referendumsplan der bosnischen Serben. Der sorgt nicht nur bei den muslimischen Bosniaken, sondern auch in EU-Hauptstädten für Unmut. Kritiker fürchten bei der beabsichtigten Abstimmung über ein et- waiges Ausscheren der Teilrepublik Republika Srpska aus dem nationalen Justizsystem um die Einheit des wackeligen Vielvölkerstaats. Die Abhaltung der Volksbefragung wäre »ein Angriff auf die Souveränität von Bosnien und Herzegowina«, erregt sich Fahrudin Radoncic, Chef der muslimischen Partei SBB.
Der einflussreiche Teilstaatspräsident Milorad Dodik, der seit Jahren mit der Abspaltung der Republika Srpska droht, begründet den von ihm forcierten Urnengang mit der nachlässigen Verfolgung von an Serben begangenen Kriegsverbrechen durch Bosniens Justiz. Von der herben Kritik der EU und Washingtons zeigt sich Dodik unberührt. Hinter den USA stünden »nur Arroganz und Macht, hinter uns die Wahrheit und das Recht«, verkündet er. »Wir ergreifen nicht die Waffen, sondern gehen wählen.« Doch selbst Belgrad geht auf Druck der EU zu den Referendumsplänen auf Distanz. Sie werden »allen Seiten nur Schaden« bringen, warnt Serbiens Premier Vucic.