Ein Traum aus 20 000 Konchylien
Nach zweijähriger Rekonstruktion öffnet der Grottensaal des Potsdamer Neuen Palais wieder
In nur sechs Jahren haben Friedrichs Baumeister das Neue Palais aus dem Boden gestampft, beim Bau wurde improvisiert und geschludert. Doch weiß es bis heute mit seinen Kostbarkeiten zu begeistern.
An einem heißen Julitag erschließt sich einem der Nutzen eines Kunstwerks, wie es der Grottensaal des Neuen Palais darstellt, sehr schnell: Es ist der vermutlich kühlste Ort im gesamten Areal des weitläufigen Parks Sanssouci. Der riesige Raum diente in dem auf Geheiß Friedrichs II. von 1736 bis 1769 als Gästeschloss errichteten Prachtbau als kühler Sommerspeisesaal.
Darauf verwies Hartmut Dorgerloh, der Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, am Dienstag bei der Präsentation der Ergebnisse einer nach zwei Jahren abgeschlossenen Restaurierung. Ab sofort können Besucher dort wieder verharren im geheimnisvollen Glitzern und Funkeln von mehr als 20 000 Muscheln und Schneckenhäusern – sogenannten Konchylien – sowie Tausenden Quarzkristallen, Perlen, Glassteinen, verschiedenfarbigen Hüttenschlacken. Einige davon seien sogar Mitbringsel namhafter Besucher des Königs gewesen – Alexander von Humboldt etwa, oder die russische Zarin. Gereinigt, aufgefrischt und zum Teil ergänzt zieren sie Wände und Nischen. An der Decke erstrahlt wieder in leuchtenden Farben das 1806 geschaffene Gemälde »Venus und Amor, die drei Grazien und Putten«. 600 000 Euro kostete die Erneuerung der Decke.
»Damit ist einer der beiden zentralen Festsäle des Hauses ab sofort wieder in den Rundgang durch das Neue Palais integriert und für die Potsdamer und ihre Gäste zugänglich«, sagte der Chef der Schlösserstiftung. Was da seit 2013 bei laufendem Besucherbetrieb im Neuen Palais organisiert wurde, seien gleich zwei Großbaustellen gewesen. Sie betrafen die Hauptattraktionen des Hauses – neben dem Grottensaal auch den darüber liegenden Marmorsaal. Die entscheidenden Arbeiten blieben dem Betrachter verborgen, so Dorgerloh. Galten sie doch der Wiederherstellung der Tragfähigkeit der Decke – unter strengen Auflagen des Denkmalsschutzes.
Auf Befehl des knauserigen Königs, und gegen den dringenden Rat seiner Baumeister, war sie als Holzbalkendecke aus nicht abgelagerten Holzbohlen gezimmert. Das schlechte Material, Zeitdruck, Pfusch und der Zahn der Zeit hatten bereits ganze Arbeit geleistet. Der Marmorsaal war schon längere Zeit baupolizeilich gesperrt, dem Grottensaal hatte bald schon das gleiche Schicksal gedroht.
»Die Gesamtkosten für die Sanierung von Grotten- und Marmorsaal sowie für die statische Ertüchtigung der dazwischen liegenden Holzbalkendecke wurden mit 4,9 Millionen Euro veranschlagt«, teilte Dorgerloh mit. Um diese Investition zu schützen, liegen übrigens ab sofort Teppiche auf den kostbaren Steinfußböden – sie ersetzen die Filzpantoffeln.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters hob den besonderen Wert des Neuen Palais hervor. »Die Schlösseranlage in ihrer Vollständigkeit und Ausstattung gehört zu den wertvollsten ihrer Art auf der Welt«, sagte sie. Auch wenn Friedrich von den im Eiltempo errichteten Prachtsälen herablassend als von einer »Prahlerei Preußens« gesprochen habe, gehörten sie heute zum Unesco-Weltkulturerbe. Für dessen Erhalt hätten der Bund und die Länder Berlin und Brandenburg im August 2008 das Sonderinvestitionsprogramm für die Schlösser und Gärten über 155 Millionen Euro für zehn Jahre aufgelegt. Das Programm sei damals im Grottensaal unterzeichnet worden. Nun sei es Zeit, dass Bund und Länder Verabredungen für die Zeit danach treffen. Denn für den Schutz des Welterbes bleibe noch viel zu tun.