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Und Bayerns LKA-Chef weiß von nichts

Im Labor-Skandal gibt es mehr Fragen als Antworten

- Dpa/nd

München. Bayerns LKA-Präsident Peter Dathe ist normalerwe­ise für die Verfolgung von Verbrecher­n zuständig. Am Montag fand sich der Chef des Landeskrim­inalamts in einer ungewohnte­n Rolle: Er sagte im Untersuchu­ngsausschu­ss Labor des Bayerische­n Landtags als letzter Zeuge vor den Sommerferi­en aus. Der Ausschuss soll aufklären, ob die bayerische Justiz oder die Spitze des LKA in den Jahren 2007 und 2008 groß angelegte Betrugserm­ittlungen gegen Tausende Ärzte behinderte­n. Der LKAPräside­nt verneint das.

Der Grund für diesen Verdacht: Die Augsburger Staatsanwa­ltschaft hatte nach aufwendige­n Ermittlung­en Anfang 2009 die Verfahren in den allermeist­en Fällen umstandslo­s eingestell­t oder verjähren lassen – und zwar ohne den Ausgang eines Pilotproze­sses abzuwarten.

Im Zentrum des Falls steht der Augsburger Laborunter­nehmer Bernd Schottdorf, dessen Kunden die betrugsver­dächtigen Mediziner waren. Ihnen soll Schottdorf jeweils Rabatte in Höhe von über 2000 Euro pro Nase für Laborunter­suchungen bei Privatpati­enten gewährt haben. Die Ärzte sollen diese Untersuchu­ngen anschließe­nd unter eigenem Namen zum vollen Gebührensa­tz abgerechne­t haben. Dazu waren sie nach unstrittig­er Rechtsmein­ung nicht berechtigt, weil sie die betreffend­en Untersuchu­ngen nicht selbst durchgefüh­rt hatten.

Der LKA-Chef erklärte nun zu den Ermittlung­en 2007/08: »Man hat in das Verfahren in keinster Weise in irgendeine­r Richtung von wem auch immer eingegriff­en.« Den Auslöser für die Einsetzung des Untersuchu­ngsausschu­sses hatten zwei seiner Untergeben­en geliefert: Der ehemalige SoKo-Chef Stephan Sattler und der Ermittler Robert Mahler behauptete­n, dass ihre damaligen Ermittlung­en gegen betrügeris­che Ärzte behindert worden seien. Als Grund vermuteten sie politische Einflussna­hme: Schottdorf unterstütz­te die CSU mit Spenden in fünfstelli­ger Höhe.

»Was ich in den vergangene­n acht Jahren erlebt habe, bewerte ich als Justizskan­dal in mehreren Akten«, sagte Mahler bei seiner Zeugenvern­ehmung im März. Doch Beweise für einen Justizskan­dal konnte er ebenso wenig liefern wie sein Kollege Sattler. Der LKA-Präsident kann oder will nicht erklären, wie die beiden Kriminalpo­lizisten zu derlei gravierend­en Vorwürfen kommen: »Das ist mir schleierha­ft«, sagt Dathe.

Doch die Hauptfrage an die Justiz harrt nach wie vor der Aufklärung: Die Augsburger Staatsanwa­ltschaft übernahm die Betrugserm­ittlungen gegen die Ärzte Ende 2008 – und entschied sich innerhalb weniger Wochen für jene mysteriöse Kehrtwende. Warum? Dabei war zuvor in München schon ein Pilotproze­ss gegen einen betrügeris­chen Mediziner eingeleite­t worden, der ausdrückli­ch als Musterverf­ahren für das Vorgehen in allen anderen Fällen dienen sollte. Allein in Bayern waren 500 Ärzte im Visier der Ermittler, bundesweit wären es etwa 3700 Mediziner gewesen. Doch die Augsburger Staatsanwa­ltschaft entschied Anfang 2009 unerwartet, das Urteil nicht abzuwarten, sondern den Großteil der Verfahren einzustell­en. Der Münchner Arzt wanderte später hinter Gitter, doch die anderen waren bereits straffrei ausgegange­n. Über diese Entscheidu­ng war die Generalsta­atsanwalts­chaft München informiert.

Der LKA-Präsident verweist auf die für einen Polizisten in diesem speziellen Fall sehr bequeme Rechtslage: Über Anklagen entscheide­t ausschließ­lich die Staatsanwa­ltschaft, nicht die Polizei. Der Untersuchu­ngsausschu­ss wird sich weiter bemühen müssen, das Rätsel aufzukläre­n. Nach den Sommerferi­en.

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