Shitstorm als Mittel der Kritik
Der
sogenannte Shitstorm im Internet ist nach Ansicht des Medienwissenschaftlers Bernhard Pörksen besser als sein Ruf. »Ich halte die pauschale Shitstorm-Kritik für falsch«, sagte der Tübinger Professor in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. »Man sieht hier, dass sich der Ausdruck zu einem Kampfbegriff entwickelt hat – ähnlich wie Cybermob ein Schlagwort zur pauschalen Diffamierung der Netzszene.«
In einem »Shitstorm« könnten sich aber große gesellschaftliche Fragen spiegeln. »Man denke nur an die sogenannte Aufschrei-Debatte – hier ging es um den alltäglichen Sexismus gegenüber Frauen. Man denke nur an die Proteste gegen Markus Lanz – hier ging es um die äußerst relevante Frage: Wie viel Privatfernsehen vertragen die öffentlich-rechtlichen Medien?« Es gebe im Netz zwar die böse Attacke und die enthemmte Aggression, sagte Pörksen. Oft aber handele es sich eben um berechtigten Protest. »Man denke nur an einen Shitstorm, der sich gegen ein Unternehmen richtet: Hier zeigen sich oft brisante, manchmal einfach berechtigte, in jedem Fall ökonomisch hochrelevante Wertkonzepte von Konsumenten und Kunden.« Nötig seien »Shitstorm-Interpreten, die die Frage stellen, welchen aufklärerischen Sinn die scheinbar sinnlose Empörung habe.
Die Medienlandschaft befände sich derzeit im Wandel, so Pörksen weiter, »auf dem Weg von der Mediendemokratie der klassischen Leitmedien hin zur Empörungsdemokratie des digitalen Zeitalters«. Traditionelle Machtzentren und publizistischen Monopole würden so zusehends an Einfluss verlieren.