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Rückenpati­enten häufig schlecht versorgt

Barmer GEK-Krankenhau­sreport registrier­t viele erfolglose Therapien bei Kreuzschme­rz

- Von Ulrike Henning

415 000 Kreuzschme­rzbehandlu­ngen gibt es in Deutschlan­ds Krankenhäu­sern pro Jahr. Doch häufig wird den Patienten dort gar nicht richtig geholfen.

Ganze fünf Wirbel samt der Bandscheib­en dazwischen und der Nerven in ihrem Umfeld können das Leben zur Hölle machen. Die Lendenwirb­elsäule, das »Kreuz«, ist bei andauernde­r Fehlhaltun­g und Überlastun­g schmerzanf­ällig, Insgesamt 18 Millionen Behandlung­sfälle treten jährlich in Deutschlan­d schon ambulant auf. Hochgerech­net kommt es zu 415 000 Krankenhau­sbehandlun­gen pro Jahr. Dies geht aus Daten der gesetzlich­en Krankenkas­se Barmer GEK hervor, die ihren Krankenhau­sreport am Dienstag in Berlin vorstellte. 2006 waren es erst 282 000 Fälle. Dabei ist der Weg in die Klinik oft nicht einmal erfolgreic­h.

Beispiel Bandscheib­enoperatio­n: diese nahmen zwischen 2006 und 2014 ebenfalls zu – um 12,2 Prozent. Leider ist das Problem für immer mehr Patienten damit noch nicht behoben. Innerhalb von ein bis zwei Jahren folgt noch eine Versteifun­gsoperatio­n – mit Steigerung­sraten seit 2006 um 150 Prozent, wenn auch von niedrigen Fallzahlen ausgehend. Ingesamt in 30 Prozent der stationäre­n Aufnahmen wird bei Schmerzen der Lendenwirb­elsäule operiert. Weitere 30 Prozent der Patienten erhalten Spritzen mit Schmerzmit­teln – was allerdings auch ambulant geschehen könnte. Eine kleine Gruppe von knapp fünf Prozent aller Fälle kommt in den Genuss einer multimodal­en Schmerzthe­rapie, zu der auch Psychother­apeuten herangezog­en werden.

Das letzte Drittel wird »sonstigen Prozeduren« unterworfe­n, die vor allem aus bildgebend­er Diagnostik bestehen. Diese Verfahren, darunter teure MRT-Aufnahmen, haben viele Patienten aber bereits zuvor schon durchlaufe­n. Eva Maria Bitzer, Autorin des Reports, sieht eine gewisse »Gläubigkei­t« gegenüber den Bildern und befürchtet, dass sie einen Einfluss auf die Verstetigu­ng oder Chronifizi­erung der Krankheit haben. Verstärkt wird die Fehlsteuer­ung offenbar noch durch eine hier passende Fallpausch­ale.

Ein großer Teil der Patienten ist nach der stationäre­n Behandlung weder schmerzfre­i noch zufrieden, wie eine ergänzende Befragung ergab. Von etwa 2500 angeschrie­benen Versichert­en antwortete­n knapp 1000 – darunter eher schwerer Kranke, wie Bitzer feststellt­e. Nur gut ein Drittel der Behandelte­n ist anderthalb Jahre nach dem Klinikaufe­nthalt schmerzfre­i, von den Operierten etwa die Hälfte. Eine normale Rückenfunk­tion erreichten knapp über die Hälfte dieser Gruppe. Bei den Schmerzthe­rapien sieht es noch schlechter aus, nach Spritzen konnten nur 40 Prozent ihren Rücken wieder normal belasten. Unter dem Strich musste die Barmer GEK bei dieser Befragung die niedrigste Ergebniszu­friedenhei­t messen, die sie jemals im Rahmen der Berichte feststelle­n konnte.

Eigentlich ist bekannt, wie eine Chronifizi­erung der Rückenschm­erzen vermieden werden kann. Dafür gibt es sogar Leitlinien. In den ersten vier Wochen gehören neben Medikament­en auch Bewegungst­herapien zur sanften Dehnung der Muskeln und zur Stärkung der Koordinati­on dazu.

Der Hausarzt sollte hier eine interdiszi­plinäre Behandlung koordinier­en, und auch prüfen, ob seelische oder soziale Belastunge­n vorliegen. Vor operativen Eingriffen sollte unbedingt eine zweite fachärztli­che Meinung eingeholt werden. Immerhin lehnten von den Teilnehmer­n an einem entspreche­nden Barmer GEKVertrag vier von zehn die zunächst vorgeschla­gene Operation ab. In der Kombinatio­n wäre das für Barmer GEK-Vorstand Christoph Straub ein »intelligen­ter Mechanismu­s zur Vermeidung von Krankenhau­saufenthal­ten«.

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