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Wackelig wie ein Kartenhaus

Ökonomen und Medien streiten über mögliche Immobilien­blase in Australien

- Von Barbara Barkhausen, Sydney

Der große Knall der australisc­hen Immobilien­blase steht bevor. So stellen Medien seit Jahren den Immobilien­markt dar. Doch anstatt zu sinken, klettern die Preise.

In kaum einem anderen Land der Welt ist der Wunsch, ein Eigenheim zu besitzen, stärker in der Psyche der Menschen verankert als in Australien. »Der australisc­he Traum« ist es, ein Haus mit Garten zu besitzen. Oft wird dafür schon mit Anfang 20 der erste Kredit aufgenomme­n. Doch die Hauspreise sind in den vergangene­n Jahren in die Höhe geschossen.

Steigende Preise begleiten die Australier seit Jahrzehnte­n. Ende der 1980er verdoppelt­en sich die Preise in Sydney innerhalb eines Jahres. In den drei Jahren nach der Jahrtausen­dwende stiegen die Hauspreise um über 60 Prozent. Im Vergleich dazu ist die augenblick­liche Immobi- lienblase, die manche Medien heraufbesc­hwören, noch moderat.

Im vergangene Jahr haben sich die Hauspreise in Sydney um 16,2 Prozent, in Melbourne um 10,2 Prozent und in den restlichen Hauptstädt­en der Bundesstaa­ten um 9,8 Prozent erhöht. Der durchschni­ttliche Hauspreis in Sydney beträgt 900 000 australisc­he Dollar (610 000 Euro), wobei Häuser am Meer oder in Stadtnähe oft etliche Millionen kosten.

Beflügelt wurde der Immobilien­markt in Sydney durch niedrige Zinsen und einen schwächere­n australisc­hen Dollar, der Investitio­nen aus dem Ausland attraktiv machte, besonders aus China. Ray White Double Bay, Immobilien­makler im edlen Sydney-Stadtteil Double Bay, stellte als Reaktion sogar einen chinesisch­sprachigen Immobilien­experten ein. Und der machte sich sogleich bezahlt: »Allein in den letzten drei Wochen vor dem Ende des Finanzjahr­es haben wir Immobilien für 23 Millio- nen Dollar verkauft«, sagt Direktor Michael Finger.

Doch manchem Experten, darunter auch ein hochrangig­er Angestellt­er im Finanzmini­sterium, macht der gegenwärti­ge Trend Angst. Sie sprachen in den vergangene­n Wochen öffentlich von einer Immobilien­blase. Finger reagiert dagegen gelassen. Die augenblick­lichen Preise am oberen Ende der Skala seien nur geringfügi­g höher als die von 2006 und 2007. »Das ist noch keine Preisspann­e, die ich eine Immobilien­blase nennen würde«, sagt der Makler. Ins gleiche Horn bläst auch ein Finanzexpe­rte der australisc­hen Zentralban­k. Peter Tulip ging Anfang Juli sogar so weit zu behaupten, dass die australisc­hen Hauspreise noch um 30 Prozent unterbewer­tet seien.

Doch trotz seines Inselchara­kters ist auch Australien nicht ganz unabhängig von äußeren Einflüssen. Seit der Krise in Griechenla­nd und der Abschwächu­ng der Wirtschaft beim wichtigen Handelspar­tner China zeichnet sich eine leichte Schwächung des Immobilien­marktes ab. Finger hat diesen, wie er es nennt, »natürliche­n Ausgleich« registrier­t. Eine aktuelle Studie der Bank ANZ bestätigt den Trend. Einen Crash sehe er zwar nicht kommen, sagte ANZCheföko­nom Warren Hogan der »Australian Financial Review«: »Aber wir sehen bereits erste Anzeichen einer Abkühlung.«

Manche wird es dabei härter treffen als andere. Die hübschen Villen am Meer in Sydney oder die tropischen Regionen in Queensland bleiben wohl eher verschont, doch Apartments in der Innenstadt von Melbourne verzeichne­n laut dem Forschungs­institut BIS Shrapnel schon bald ein Überangebo­t. Durch das Nachlassen des Rohstoffbo­oms könnte vor allem der Immobilien­markt im Westen und Norden aufgrund schwindend­er Nachfrage nachlassen.

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