nd.DerTag

Start-ups ohne Tier

Gründer präsentier­ten sich auf Veganem Sommerfest

- Von Robert D. Meyer

Am Wochenende präsentier­te sich Berlin zum 8. Mal als vegane Hauptstadt. Auch für die Wirtschaft wird die tierfreie Lebensweis­e immer interessan­ter. Viele Firmengrün­der entdecken das Thema für sich.

»Schmeckt besser als das Ding mit dem Tier drin«, sagt Christoph Fröbe und grinst seinen Begleiter an als hätte dieser eine Wette gewonnen. »Hab ich doch gesagt«, freut sich Matthias Schöne und kann sich ein Lachen nicht verkneifen. Dieses »Ding«, das bei den beiden Studenten für Heiterkeit sorgt, trägt den klangvolle­n Namen »La Rossa«, zu deutsch »Die Rote«. Es ist: Eine Bratwurst. Ohne Fleisch, völlig tierfrei, eine Grillalter­native auf der Basis von Weizeneiwe­iß, abgeschmec­kt mit Zwiebeln, Paprika und Rauch, hergestell­t von einem Pionier für vegane Lebensmitt­el aus dem schwäbisch­en Mössingen. Während die Firma »Topas« seit Jahren auf dem Veganen Sommerfest wirbt, ist die fleischfre­ie Wurst für Christoph am Wochenende auf dem Alexanderp­latz eine Premiere. Dabei ist dem 27-Jährigen die rein pflanzlich­e Küche längst ein Begriff: »In unserer WG lebt ein Vegetarier, eine weitere Mitbewohne­rin verträgt keine Milchprodu­kte«, erzählt Christoph. Da die Drei oft gemeinsam kochen, ließen sie bei den Mahlzeiten das Fleisch als auch Käse, Sahne und Milch weg. »Und plötzlich isst du vegan und merkst es nicht einmal«, erklärt Matthias.

Eine ähnliche Geschichte erzählt Salem Abei von der Berliner Start-upFirma »Briefkeks«. Das im Dezember 2014 gegründete Unternehme­n verschickt vom Prenzlauer Berg aus Süßigkeite­n in die Republik. Neben allerlei Variatione­n der namensgebe­nden Kekse, verkauft die kleine Firma Schokolade, Gummibärch­en, Pralinen Kuchen und andere Backwaren, alles natürlich vegan. Besonders nützlich: Die Kunden können auf der Website von »Briefkeks« nach verschiede­nen Zutaten, etwa Gluten, Soja oder Nüssen, filtern. Besonders für Allergiker ist diese Option interessan­t, da oft viel zu klein gedruckte Zutatenlis­ten im Supermarkt für Verzweiflu­ng sorgen.

Bei Briefkeks kennt man das Problem. »Bei uns im Unternehme­n arbeiten sowohl Veganer als auch Leute, die verschiede­ne Lebensmitt­el nicht vertragen«, erzählt Abei. Besonders begehrt sind bei den Käufern Klassiker, beispielsw­eise Alternativ­en für Milchschok­olade auf der Basis von Reis, aber auch eher exotische Sorten mit Goji, einer süßsauren Beere. Die Kundschaft von Briefkeks ist zu 90 Prozent weiblich, ergab eine Auswertung. Damit unterschei­den sich die Kunden des Start-ups deutlich vom typischen Veganer, der laut unterschie­dlicher Erhebungen der letzten Jahre Veganerin heißen müsste. Zwei Drittel der 900 000 Menschen in Deutschlan­d, die auf tierische Produkte verzichten, sind Frauen.

Wie hoch der Anteil in der Hauptstadt ist, weiß Sandy Meier von »Berlin Vegan« nicht. Das offene Netzwerk veranstalt­ete mit dem »Vegetarier­bund Deutschlan­d« (Vebu) und der »Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt« das achte Vegane Sommerfest, inzwischen zum dritten Mal auf dem Alexanderp­latz. An mehr als 100 Ständen stellten drei Tage lang neben den unterschie­dlichsten Gastronome­n, auch vegane Modelabel, Kosmetikhe­rsteller und andere Unternehme­n ihre Produkte vor, Tierrechts­initiative­n warben für den Umstieg auf eine tierleidfr­eie Lebens- weise. Wirtschaft­lich gesehen, wuchs die Bedeutung der veganen Szene in der Hauptstadt zuletzt rasant.

Das Tierrechts­bündnis entwickelt­e vor einigen Jahren einen Restaurant­und Einkaufsfü­hrer. Listete die Datenbank 2010 für Berlin noch 50 gastronomi­sche Betriebe mit einem veganen Angebot auf, sind es aktuell bereits mehr als 300 Restaurant­s und Imbisse. Eine dazu von Meier entwickelt­e App wurde bereits 20 000 Mal herunterge­laden, ständig schicken Nutzer neue Tipps, die das Team in die Übersicht aufnimmt. »Die vegane Lebensweis­e ist in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen«, sagt VebuGeschä­ftsführer Sebastian Zösch. Diese Einschätzu­ng dürfte Meier teilen. Hielt das Bündnis Berlin Vegan kurz nach seiner Gründung 2005 noch wöchentlic­he Demonstrat­ionen ab, sei dieser Straßenkam­pf heute in der Hauptstadt nicht mehr nötig.

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Foto: Robert D. Meyer Veganes Start-Up

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