China fährt auf Bremerhaven ab
Neben Werften interessiert man sich im Reich der Mitte auch für andere Hochtechnologien aus Deutschland
Mit der Lloyd Werft kauft ein chinesischer Investor ein weiteres deutsches Traditionsunternehmen. Aus Peking drohe trotz allem keine Übernahmewelle, meint der DIHK.
»Nicht befugt«, die Pressesprecherin der Lloyd Werft wimmelt alle Fragen von Medien ab. Weitergehende Auskünfte als jene in der Pressemitteilung werden von dem 1857 in Bremerhaven gegründeten Unternehmen verweigert. Dabei wirft die Übernahme einer weiteren deutschen Traditionsmarke durch den chinesischen und in Malaysia angesiedelten Investor Genting Hong Kong einige Fragen auf.
Genting ist laut der Lloyd Werft »ein führendes, weltweit agierendes Unternehmen in den Bereichen Freizeit, Erholung und Entertainment«. Die Unterhaltungsspezialisten haben nun einen Vertrag über den Erwerb von 70 Prozent an Lloyd abgeschlossen – Kaufpreis 17,5 Millionen Euro. Eigentlich ein eher symbolischer Betrag, der in der globalen Schiffbaukrise gezahlt wird für eine zuletzt wieder erfolgreiche Werft. Der Vertrag wurde im Bremer Rathaus im Beisein von Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) unterzeichnet. Der Stadtstaat ist an Lloyd beteiligt.
Die an der Börse in Hongkong gelistete Genting-Gruppe hatte erst kürzlich die Kreuzfahrtreederei Crystal Cruises erworben. Genting plant nun selbst den Bau von Traumschiffen für die hohe See und von Flusskreuzfahrtschiffen. Ökonomen sprechen von »vertikaler Integration«. Der wachsende, kaufkräftige Mittelstand in Asien geht immer häufiger auf Reisen – hat aber nur ein, zwei Wochen Urlaub pro Jahr. Das größte Wachstum im Tourismusmarkt erwarten Ex- perten daher für »all-inclusive«-Kurzurlaube auf Schiffen. Die Traumschiffe dazu werden aber bislang fast ausschließlich in Europa gebaut. Voraussichtlich Ende 2017 soll der erste von fünf bei einer anderen Werft ge-
Galina Kolev, IW Köln bauten Schiffsrümpfen in Bremerhaven ausgerüstet werden.
Im deutschen Schiffbau sind die chinesische Aufkäufer noch Neulinge. Hier dominieren russische Investoren. Doch Chinas Großkapital ist bekannt für strategische Investitionen wie in der Atomwirtschaft: China plant, ein Drittel seines Urans im Inland zu produzieren; ein weiteres soll durch Beteiligungen im Ausland und ein Drittel durch Erwerb auf dem freien Markt beschafft werden. Ähnlich geht Peking in der Landwirtschaft vor. Für beide Felder sind deutsche Unternehmen uninteressant.
Hierzulande ruht Pekings Fokus auf Industrieperlen. So beteiligte sich im August ein chinesischer Hersteller von Haushaltsgeräten am Augsburger Roboterhersteller Kuka; Anfang September stieg die Shang Gong Holding beim Reutlinger Strickmaschinenhersteller Stoll ein. Seit 2014 gingen Autozulieferer, Kranbauer und Solarenergie, Maschinenbau und Elektronik in chinesische Hände. Beteiligungen wurden auch an Marken gekauft, die einer breiteren Öffentlichkeit bekannt sind, wie Mercedes Benz Leasing oder Tom Tailor und an Geld- häusern wie Hauck & Aufhäuser und der früheren Großbank BHF.
»Wir sehen in den letzten Jahren ein steigendes Interesse chinesischer Investoren für Unternehmen in Deutschland«, sagt Tim Gemkow vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag . Das hänge zum einen mit den größeren Freiheiten chinesischer Unternehmen zusammen, im Ausland zu investieren, zum anderen mit dem guten Ruf des deutschen Mittelstandes. Von einer Übernahmewelle könne aber keine Rede sein. »Chinesische Unternehmen versuchen, entlang der Wertschöpfungskette aufzusteigen«, erklärt Galina Kolev vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Nicht mehr Produkte zusammenzuschrauben sei die Lösung, sondern Hochtechnologie selbst herzustellen. Dafür sei es günstig, Know-how »miterlebt« zu haben. Von einer Beteiligung profitiere dann auch die deutsche Firma.
»Chinesische Unternehmen versuchen, entlang der Wertschöpfungskette aufzusteigen.«