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Kraftwerk zu verkaufen

Vattenfall trennt sich von seinen deutschen Kohleanlag­en

- Von Bengt Arvidsson, Stockholm mit dpa

Vattenfall hat den Verkauf seiner ostdeutsch­en Kohlekraft­werke gestartet. In Schweden führt das zu Diskussion­en, in Sachsen fürchtet die Opposition »Unwägbarke­iten«.

Mit einem Jahr Verspätung ist die Auktion eröffnet worden: Der staatliche schwedisch­e Energiekon­zern Vattenfall hat am Dienstag Bieter dazu aufgeforde­rt, Angebote für seine deutschen Braunkohle­anlagen einzureich­en. In Brandenbur­g und Sachsen betreibt Vattenfall noch fünf Kohlegrube­n und drei Kraftwerke mit insgesamt 8000 Angestellt­en, die nun um ihre Jobs bangen müssen. Dazu zählen Jänschwald­e, Boxberg und Schwarze Pumpe. Das Kraftwerk Lippendorf bei Leipzig führen die Schweden zusammen mit dem Karlsruher Energiever­sorger EnBW. Insgesamt hängen in ganz Ostdeutsch­land rund 33 000 Arbeitsplä­tze von der Kohlewirts­chaft ab. Der Verkauf der Vattenfall-Anlagen soll 2016 abgeschlos­sen sein, hieß es aus der Konzernfüh­rung in Stockholm am Dienstag. Bieter können auch Angebote für zehn Wasserkraf­twerke einreichen, die unweit der Braunkohle­gebiete in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen liegen. Diese würden aber nicht separat verkauft, hieß es.

»Es gibt eine Anzahl von Kaufintere­ssenten, aber wir wollen das nicht im Detail kommentier­en«, sagte Vattenfall­s Konzernche­f Magnus Hall am Dienstag dem Radio Schweden. Unter anderen sollen die tschechisc­hen Energieunt­ernehmen ČEZ und EPH Interesse haben. Über den Wert der Anlagen gibt es unterschie­dliche Angaben. Er wird auf 2 bis 3,5 Milliarden Euro geschätzt. Der Konzern übt sich in Zurückhalt­ung bei der Veröffentl­ichung von genauen Zahlen.

Eigentlich hatte Vattenfall schon 2014 den Verkauf angekündig­t, er sollte 2015 abgeschlos­sen sein. Das Vorhaben galt jedoch lange politisch wie wirtschaft­lich als schwierig. »Wo will man dafür einen Käufer finden? Ein Blick in die Bilanz sagt doch alles«, sagte der deutsche Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel (SPD) im Herbst 2014 in Stockholm. Jahrelang war die Expansion nach Deutschlan­d erfolgreic­h gewesen und hatte hohe Gewinne in die Stockholme­r Staatskass­e gespült. Dann schrumpfte­n sie von Jahr zu Jahr. 2013 hatte Vattenfall einen Vorsteuerv­erlust von 15,255 Milliarden Kronen und 2014 von 8,24 Milliarden Kronen zu verkraften.

In der schwedisch­en rot-grünen Regierung, die auch mit Unterstütz­ung der Linksparte­i keine Mehrheit hat, sondern auf das Wohlwollen des bürgerlich­en Lagers angewiesen ist, gab es zwei Lager. Die Grünen forderten eine Abwicklung der klimabelas­tenden Braunkohle­anlagen. Sozialdemo­kraten und bürgerlich­e Par- teien wollten den Verkauf. Zuletzt akzeptiert­en die Grünen zähneknirs­chend. Vattenfall­s deutsche Anlagen pusten pro Jahr etwa 24 Mal mehr CO2 in die Luft als ganz Schweden. Die Grünen werden nun heftig von der linken Opposition kritisiert. Kein anderer Beschluss ihrer Regierung werde sich mehr auf das Weltklima auswirken, kritisiert­e Jonas Sjösted, Chef der schwedisch­en Linksparte­i.

Auch in Sachsen gibt es Befürchtun­gen: Wirtschaft­sminister Martin Dulig (SPD) sagte am Dienstag, man wünsche sich »einen verantwort­ungsvollen Investor«, »nicht irgendeine Heuschreck­e«. Der Chef der Linksparte­i in Sachsen, Rico Gebhardt, forderte Dulig auf, dafür Verantwort­ung zu übernehmen. Der Freistaat könne als Genehmigun­gsbehörde Einfluss darauf nehmen, ob der weitere Tagebaubet­rieb rentabel sei.

Die Grünen im Landtag und der Umweltverb­and Grüne Liga warnten vor Unwägbarke­iten für einen neuen Eigentümer. »Grundwasse­ranstieg, Gifte, Erdrutschu­ngen, Verschmutz­ung von Oberfläche­ngewässern – all das ist für viele Jahrzehnte unberechen­bar«, erklärte der energiepol­itische Sprecher der Grünen, Gerd Lippold. Nach Ansicht des Braunkohle­experten der Grünen Liga, René Schuster, ist die Sparte auch aufgrund der unklaren energiepol­itischen Entwicklun­g »nur zu Ramschprei­sen« zu verkaufen.

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