Als ich fortging
Aus dem Osten in den Westen: vor und nach 1990
Berlin. In den vielen Bilanzen, die dieser Tage über die 25 Jahre seit dem 3. Oktober 1990 veröffentlicht werden, darf eine nicht fehlen: der negative Wanderungssaldo. Viele im Osten kennen ihn aus der Verwandtschaft oder gehören selbst dazu: Nach der Einheit bröckelten die Einwohnerzahlen im Osten gewaltig. Rund zwei Millionen Menschen verließen seit Vorliegen vergleichbarer Zahlen im Jahr 1991 die fünf neuen Bundesländer und Ostberlin.
Warum? Deindustrialisierung, hohe Erwerbslosigkeit, geringere Chancen – nach dem Ende der DDR blieben blühende Landschaften für viele eine Hoffnung, für die man in den Westen gehen musste. Die stark sinkende Geburtenrate lässt sich auch nicht gerade als Vertrauensbeweis für die sozialen Zustände im Osten interpretieren.
Nicht aus dem Blick geraten darf dabei heute freilich dies: Auch vor dem langen Wendejahr 1989/1990 hatten viele Menschen die DDR verlassen – oft aus politischen Gründen. »Als ich fortging«, hieß ein erfolgreicher Song von Karussel von Ende der 1980er Jahre. Und wenn man die Textzeile nur ganz leicht in ein »... war die Straße leer« umformulierte, konnte man das Lied sogar als Kommentar auf die Ausreisewelle hören: Wenn alle weggehen, ist irgendwann niemand mehr da, für bessere Verhältnisse zu demonstrieren.
Rudolf Steinhoff ist schon früher in den Westen gegangen: 1981, nachdem die SED den Mediziner und demokratischen Sozialisten abserviert hatte. Sein Vater Carl war in der frühen DDR Ministerpräsident in Brandenburg und Innenminister gewesen, ein Ex-Sozialdemokrat, dem 1952 fristlos gekündigt wurde. Vater Steinhoff hatte sich übrigens zu seiner Zeit als aktiver DDR-Politiker für die deutsche Einheit eingesetzt. Das Wort »Einheit«, so sah er es damals enttäuscht, scheine »in den Westzonen einen anderen Klang zu haben als bei uns«.