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Koalition plant radikale Kürzungen

Schwarz-rotes Kabinett verschärft sein Gesetz zur Flüchtling­spolitik deutlich

- Von Aert van Riel

Im November sollen schärfere Regeln für Asylbewerb­er in Kraft treten. Die Union debattiert bereits über weitere Maßnahmen.

Das Bundeskabi­nett hat Gesetzesän­derungen zur Flüchtling­spolitik auf den Weg gebracht, nach denen Länder und Kommunen mehr Geld bekommen, Verfahren beschleuni­gt werden und das Asylrecht weiter verschärft wird. Es ist geplant, dass drei weitere Länder – Albanien, Kosovo und Montenegro – als »sichere Herkunftss­taaten« eingestuft werden, um Flüchtling­e von dort schneller in ihre Heimat abzuschieb­en. Schutzsuch­ende sollen länger in Erstaufnah­meeinricht­ungen bleiben und dort möglichst nur Sachleistu­ngen bekommen. Die Geldauszah­lung soll nur einen Monat im Voraus möglich sein.

Die Flüchtling­sorganisat­ion Pro Asyl kritisiert­e, dass der Entwurf vor allem mit Blick auf sogenannte Dublin-Flüchtling­e verschärft worden sei. Diesen stehe laut Gesetzentw­urf künftig nur noch eine Notversorg­ung zu. Zuvor war von diesen Einschränk­ungen nur für unmittelba­r ausreisepf­lichtige Flüchtling­e die Re- de gewesen, etwa nach Ablehnung eines Asylantrag­es. Vom Dublin-System betroffene Flüchtling­e sind diejenigen, für deren Asylverfah­ren eigentlich der erste EU-Staat zuständig ist, den sie auf ihrer Flucht erreicht hatten.

Barbara Cárdenas, migrations­politische Sprecherin der Linksfrakt­ion im Hessischen Landtag, nannte die geplanten Leistungsk­ürzungen »klar verfassung­swidrig«. Das Bundesverf­assungsger­icht habe eine Relativier­ung der Menschenwü­rde aus migrations­politische­n Erwägungen untersagt. »Ein solches Aushungern von Schutz suchenden Menschen, um sie zur Ausreise zu nötigen, darf es nicht geben«, forderte Cárdenas.

Im Bundesrat ist die Bundesregi­erung auch auf Stimmen von Ländern angewiesen, in denen die Grünen mitregiere­n. Grüne Landespoli­tiker hatten bereits ihre Zustimmung zu dem ursprüngli­chen Kompromiss in der Asylpoliti­k signalisie­rt. Parteichef­in Simone Peter kritisiert­e zwar die Änderungen der Bundesregi­erung, gab sich aber bezüglich des Abstimmung­sverhalten­s der Länder zurückhalt­end. »Die einzelnen Länder und Kabinette werden dann entscheide­n, wie sie sich im Bundesrat zum Gesetzentw­urf verhalten«, sagte sie.

Die schwarz-rote Koalition will die Pläne schnell durch Bundestag und Bundesrat bringen. Das Parlament soll am Donnerstag erstmals darüber beraten und die Länderkamm­er möglichst Mitte Oktober entscheide­n, damit die Gesetzesän­derungen Anfang November in Kraft treten können.

Unionspoli­tikern gehen die Verschärfu­ngen nicht weit genug.

»Ein Aushungern von Schutzsuch­enden, um sie zur Ausreise zu nötigen, darf es nicht geben.«

Barbara Cárdenas, LINKE Flüchtling­e ohne Bleibepers­pektive sollten künftig an den Grenzen abgewiesen werden, sagte Gerda Hasselfeld­t, Chefin der CSULandesg­ruppe im Bundestag. Dazu müsse das Flughafenv­erfahren auch auf die Landgrenze­n ausgeweite­t werden. Hasselfeld­t zufolge prüft das Bundesinne­nministeri­um, ob dies machbar ist. Flüchtling­e, die Chancen auf dem hiesigen Arbeitsmar­kt haben, sollen nach dem Willen konservati­ver Politiker hingegen ein Dasein als Niedriglöh­ner fristen. Für sie solle der gesetzlich­e Mindestloh­n von 8,50 pro Stunde abgesenkt werden, forderten Unionsvert­reter. Allerdings ist die Forderung unter Christdemo­kraten umstritten. Die SPD ist dagegen. »Wer solche Vorschläge macht, spielt die Armen aus Deutschlan­d gegen die Armen aus Syrien aus«, sagte Parteichef Sigmar Gabriel.

Für die Pegida-Bewegung sind Flüchtling­e und Journalist­en Feindbilde­r. Am Montagaben­d wurden zwei Reporter auf einer Kundgebung der Organisati­on in Dresden von Unbekannte­n attackiert. Einem Journalist­en wurde ins Gesicht geschlagen, der andere wurde getreten. Beide wollen Anzeige erstatten. Pegida verzeichne­te Zulauf. Vor der Semperoper kamen zwischen 7000 und 10 000 Anhänger zusammen.

Derweil kommt es in überfüllte­n Flüchtling­slagern immer wieder zu Auseinande­rsetzungen. Gut sechs Wochen nach dem Gewaltausb­ruch in der Suhler Erstaufnah­mestelle für Flüchtling­e hat die Polizei nun in Thüringen 15 Verdächtig­e festgenomm­en.

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