nd.DerTag

Übers Knie

- Uwe Kalbe zum Asyl-Gesetzentw­urf

Panik. Zeitmangel. Uralte Ressentime­nts. Aus diesen Zutaten sind die Asylrechts­änderungen gemacht, die das Bundeskabi­nett am Dienstag beschloss. Panik unter dem Eindruck des Flüchtling­sansturms. Sie führt dazu, dass die Große Koalition nicht vor dem Risiko zurückschr­eckt, erneut einen Rüffel des Bundesverf­assungsger­ichts zu kassieren. Die Versorgung einer Gruppe von Flüchtling­en unter dem Niveau des Existenzmi­nimums, noch bevor erwiesen ist, wie ihr Asylverfah­ren ausgehen wird – selbst wenn alle Vorsorge für eine Abweisung getroffen ist – ist verfassung­srechtlich fragwürdig.

Zeitmangel entstand durch den Druck der Bundesländ­er, die sich mit Unterbring­ung und Integratio­n der Flüchtling­e überforder­t sehen. Geld löst aber nur einen Teil des Problems. Und über diesen Punkt hinaus wurde bisher viel zu wenig nachgedach­t. Übers Knie gebrochen scheint der Entwurf stattdesse­n, sonst wären nicht auf den letzten Metern noch Klagen laut geworden, dass Ergänzunge­n nicht mit den Ländern abgesproch­en waren.

Über allem liegt das Ressentime­nt. »Fehlanreiz­e zu beseitigen, die zu einem weiteren Anstieg ungerechtf­ertigter Asylanträg­e führen« – so benennt der Gesetzentw­urf offen das Ziel der Bundesregi­erung. Das ist von Willkommen­skultur so weit entfernt wie von der Realität. Nicht Anreize veranlasse­n Menschen zur Flucht, sondern Not, nicht Abenteuer, sondern Angst. Das Gesetz wird die Menschen nicht fernhalten. Es wird sie nur mit einer neuen Realität konfrontie­ren. Mit der der Realitätsv­erweigerer.

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