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Eine gute Karikatur kritisiert scharf, agitiert aber nicht

In Deutschlan­d stießen und stoßen die Mohammed-Karikature­n auch bei Berufskoll­egen Westergaar­ds auf ein geteiltes Echo

- Von Jürgen Amendt

Hat die Mohammed-Karikatur von Kurt Westergaar­d islamische­n Fundamenta­lismus kritisiert oder war der »Turban als Bombe« schlechte Agitprop?

Das Gute an Kalauern ist, sie sind gemeinhin ungefährli­ch – sowohl für die Adressaten des Spotts als auch für die Verfasser des simplen Witzes. Von Satire kann man das nicht sagen. Trifft sie, verletzt sie gar die Gefühle der oder des Adressaten, dann wird sie nicht nur für den Satiriker zum ernsthafte­n Problem. Als 2013 die Akademie der Künste (AdK) in ihrer beschaulic­hen Zweitresid­enz im Berliner Stadtteil Tiergarten zum Akademiege­spräch über die Grenzen des politische­n Witzes lud und eine spannende Debatte u.a. mit dem Kabarettis­ten Dieter Hildebrand­t und dem österreich­ischen Zeichner Gerhard Haderer (»Stern«) versprach, musste die Veranstalt­ung gesichert werden wie für einen Staatsbesu­ch.

Der Grund dafür hieß Kurt Westergaar­d – der dänische Zeichner, der 2005 mit seiner Mohammed-Karikatur den Zorn fundamenta­listischer Muslime auf sich gezogen hatte und seitdem um sein Leben fürchten musste. Die hohen Sicherheit­svorkehrun­gen wurden damals jedoch just in dem Moment hinfällig, als bekannt wurde, dass Westergaar­d aus gesundheit­lichen Gründen nicht leibhaftig anwesend sein konnte. Stattdesse­n gab es eine Videobotsc­haft Westergaar­ds.

Das war einerseits für das Publikum beruhigend und entspannen­d, anderersei­ts aber auch schade, denn man hätte schon gerne gewusst, wie Westergaar­ds Replik auf die Kritik von Hildebrand­t ausgefalle­n wäre. Der hatte zwar den Zeichner gegen die Angriffe in Schutz genommen, brachte allerdings ästhetisch­e Einwände gegen seine Zeichnung vor. Eine gute Karikatur könne man da- ran erkennen, dass man auf den ersten Blick wisse, um wen es sich bei der gezeichnet­en Person handele. Die Zeichnung des Dänen Westergaar­d gehöre nicht in diese Kategorie: »Die Bombe auf dem Kopf war gut, der Mohammed nicht.«

Noch schärfer äußerte sich dieser Tage der Cartoonist Til Mette gegenüber dem Radiosende­r »Deutschlan­dfunk«. Er verteidigt­e zwar die Zeichnung, sagte aber auch, dass er selbst »so etwas« nie zu Papier bringen würde. »Ich bin deshalb Zeichner geworden, weil ich genau gegen diese Generation von Zeichnern antreten wollte.« Den »Turban als Bombe« bezeichnet­e Mette als »völlig brutale Agitprop-Zeichnung«, die »keinerlei Sensibilit­ät« besitze und nur »Hau-drauf-Fantasien beflügelt«.

Müssen Karikaturi­sten sensibler gegenüber den Adressaten ihres Spotts sein, brauchen Satiriker mehr Verantwort­ungsbewuss­tsein? Einerseits ja. Vielfach wird vom säkulari- sierten Teil der Gesellscha­ft unterstell­t, Muslime (bzw. generell religiöse Menschen) würden sich durch Karikature­n wie die von Knut Westergaar­d (oder Christen durch bestimmte Motive etwa im deutschen Satiremaga­zin »Titanic«) beleidigt fühlen. Verletzung meint jedoch etwas anderes. Viele Muslime hätten in Westergaar­ds Zeichnung die Absicht gespürt, »die hinter diesen Kränkungen, Angriffen steckt«, sagt die Berliner Islamwisse­nschaftler­in Gudrun Krämer im »Deutschlan­dfunk«.

Anderersei­ts muss diese Frage verneint werden. Auf der eingangs erwähnten AdK-Veranstalt­ung beschrieb der damalige AdK-Präsident Klaus Staeck Satire als Störung des Normalbetr­iebs von Politik (er vergaß, hinzuzufüg­en: von Kirche bzw. Religion) und Herrschaft. Satire ist also der Kampf gegen das Unheil der Intoleranz, das nicht nur in der Religion anzutreffe­n ist, sondern überall dort beginnt, wo der Wunsch, alle mögen das Gleiche denken, das Denken vergiftet.

Auch Gudrun Krämer zieht übrigens aus ihrer Kritik an den Mohammed-Karikature­n nicht die Schlussfol­gerung, dass Muslime und deren Religion (bzw. Religionen an sich) von Satire verschont werden sollten. »Das kann überhaupt nicht die Folgerung sein. Die Muslime und ihre Werte dürfen selbstvers­tändlich nicht ausgenomme­n sein. Es ist die Frage, ob man die Kritik, die vollkommen legitim und notwendig ist, fest macht oder übersetzt in eine Karikatur des Propheten Mohammed. Manchmal muss man auch ein bisschen strategisc­h denken.«

Strategisc­hes Denken ist allerdings eine Charaktere­igenschaft, die Karikaturi­sten und Satirikern naturgemäß nicht eigen ist, denn sie wittern instinktiv dahinter die Aufforderu­ng, man möge doch das Denken einhegen. Satire wird daher immer gefährlich bleiben.

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