Ein Toast auf etwas Frieden
»Erstaunlich offen« machen sich Russland und die USA auf die Suche nach Gemeinsamkeit
Noch kein Durchbruch, aber eine deutliche Verbesserung im Verhältnis zwischen Kreml und Weißen Haus: Die Hausherren reden wieder miteinander.
Sie reden nicht nur wieder miteinander, Russlands Präsident Wladimir Putin, ein bekennender Alkoholgegner, stieß beim Empfang von UNGeneralsekretär Ban Ki Moon sogar mit seinem US-Amtskollegen auf Frieden und Einheit an. Hatte Barack Obama Russland noch im Vorjahr als eine der größten Bedrohungen für die internationale Sicherheit porträtiert, schlug er nun moderatere Töne an.
Putin konnte sich danach zwar Kritik am missglückten Export von Revolutionen nicht verkneifen, meinte aber nicht nur den arabischen Frühling, sondern auch einschlägige Fehlleistungen der Sowjetunion. Er beschwor den gemeinsamen Kampf gegen Hitler als er für eine große AntiTerror-Koalition warb.
Syrien und die Ukraine-Krise waren auch Hauptthemen beim Vieraugengespräch beider Staatschefs in der Nacht zu Dienstag. Es dauerte anderthalb Stunden, geplant waren 50 Minuten. Putin nannte die Unterredung »erstaunlich offen«.
Vor Hoffnungen auf einen Durchbruch hatten Beobachter allerdings schon im Vorfeld gewarnt: Beider Position seien zu unterschiedlich, vor allem zur Rolle Baschar al-Assads. Für die USA gehört der syrische Präsident als Tyrann gestürzt, für Russland ist er »wichtigstes Bollwerk« gegen den Islamischen Staat (IS).
Ein gemeinsames Kommando im Kampf gegen das Terrornetzwerk, so Russlands Außenminister Sergei Lawrow anschließend, sei »unrealistisch«. Luftschläge und Kampfhandlungen am Boden müssten jedoch koordiniert werden. Darüber hätten sich Putin und Obama verständigt. Details sollen die Verteidigungsministerien aushandeln. Auch um einen eigenen Konflikt in Syrien zu vermeiden.
Einschlägige Befürchtungen sind keineswegs aus der Luft gegriffen. Die Entwicklungen würden den Westen zwingen, von Rhetorik zu handfesteren Maßnahmen überzugehen, glaubt Boris Dolgow vom Orient-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften. Gemeint war auch ein Koordinationszentrum für den Kampf gegen den IS, über das Russland und Iran sich letzte Woche mit Irak und Syrien verständigten. Generalstäbler aller Teilnehmerstaaten sollen für jeweils drei Monate die Führung übernehmen.
Das Zentrum mit Sitz in Bagdad soll zunächst Informationen – auch sensible geheimdienstliche – sammeln und auswerten, dann mit der Planung von Kampfhandlungen beginnen. Dazu hat Irak Russland bereits Aufklärungsflüge über seinem Hoheitsgebiet gestattet. Washington habe russische Kampfjets und Drohnen auch über Westsyrien geortet, schreibt die Nesawissimaja Gaseta. Die dortigen Stellungen der syrischen Opposition könnten die ersten Angriffsziele sein, erst nach deren Ausschaltung werde es Luftangriffe im von IS kontrollierten Osten geben.
Damit, so Militärexperten, wachse das Risiko einer Eskalation, womög- lich sogar einer nicht gewollten. Denn die USA-geführte internationale Koalition aus rund 60 Staaten unterstützt Assads Gegner mit Luftschlägen. Moskau – das soll auch Putin Obama nochmals klar gemacht haben – sieht dadurch das Völkerrecht verletzt: Militärische Unterstützung sei nur mit UN-Mandat und Zustimmung einer durch Wahlen legitimierten Regierung oder auf deren Ersuchen hin möglich. Und legitimiert sei derzeit bei allem Wenn und Aber nur Assad.
Die USA dagegen, so ein russischer Diplomat, sei von der wachsende Rolle Irans beim syrischen Krisenmanagement irritiert. Vor allem Teherans Einfluss auf die schiitischen Glaubensbrüder soll Irak veranlasst haben, der pro-russischen Anti-Terror-Koalition beizutreten.