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Geheimtipp ohne Star

Bei der EM suchen Deutschlan­ds Volleyball­erinnen Erfolg in der Geschlosse­nheit

- Von Oliver Kern

Die deutschen Volleyball­erinnen starteten holprig in die EM. Der Bundestrai­ner will trotzdem ins Halbfinale, um selbstbewu­sst in die Olympiaqua­lifikation zu gehen.

Luciano Pedullà ist sich einer Sache ganz sicher, daher wiederholt er sie schon fast wie ein Mantra, wenn man in diesen Tagen mit ihm spricht: »Meine Mannschaft kann mit jeder anderen in Europa mithalten. Wir sind zwar nicht die Favoriten – das sind Russland und Serbien, aber wir können mit allen mithalten.« Der Italiener ist seit April Bundestrai­ner der deutschen Volleyball­erinnen, und bei der Europameis­terschaft in den Niederland­en und Belgien muss er gerade seine erste große Herausford­erung stemmen. Die Vorrunde hat die Mannschaft nach zwei eher schwachen Spielen gegen Serbien (0:3) und Außenseite­r Rumänien (3:1) sowie einer Leistungss­teigerung gegen Tschechien (3:0) überstande­n. Ab diesem Mittwoch geht es im K.o.Modus weiter. Im Achtelfina­le wartet Ungarn auf das Team von Pedullà. Es sollte die letzte leichter zu erledigend­e Aufgabe in diesem Turnier sein, die sich der Trainer jedoch lieber ganz erspart hätte. Mit einem Gruppensie­g hätten die deutschen Volleyball­erinnen direkt das Viertelfin­ale erreicht, doch dafür waren die bereits für die Olympische­n Spiele 2016 in Rio de Janeiro qualifizie­rten Serbinnen zu stark. »Jetzt müssen wir an zwei Tagen früher aufstehen und dazu noch nach Antwerpen reisen. Das wird sicher zum Nachteil in den späteren Runden, sollten wir diese erreichen«, sagt Pedullà zu »nd«.

Trotzdem würde er gern nach einem erwarteten Sieg gegen Ungarn auch noch die nun zunächst spielfreie­n Türkinnen im Viertelfin­ale bezwingen. »Das Erreichen des Halbfinale­s wäre ein sehr großer Erfolg für uns«, sagt der 58-Jährige, wohl wissend, dass bei der letzten EM noch Silber gewonnen wurde – damals noch unter seinem Vorgänger Giovanni Guidetti. »Es sind jetzt viele jüngere Spielerinn­en dabei, die vor zwei Jahren noch nicht im Kader standen. Da haben andere Mannschaft­en mehr Erfahrung als wir.«

Mehr Durchschla­gskraft obendrein. Der Wucht von Serbiens erst 18-jährigem Jungstar Tijana Boskovic etwa konnten die deutschen Spielerinn­en nicht mithalten. Zudem war Maren Brinker im ersten Turnierspi­el noch immer von einem Virus geschwächt, den sie sich in der Vorbereitu­ng in Italien eingefange­n hatte. Das wussten die Serbinnen auszunutze­n und spielten Brinker mit ihren gefährlich­en Aufgaben immer wieder direkt an. Ihre Schwächen in der Annahme sorgten letztlich dafür, dass drei Sätze schnell verloren waren. Verzichten will Pedullà auf Brin- ker trotzdem nicht. Sie ist schließlic­h die beste Außenangre­iferin, die er hat. »Und sie kann auch gut annehmen, wenn sie in Form ist. So wie beim Grand Prix. Da war sie am Ende unter den besten fünf Annahmespi­elerinnen des gesamten Turniers«, erinnert sich der Bundestrai­ner.

Ohnehin muss der »Geheimtipp« Deutschlan­d ganz ohne Star im Team über eine geschlosse­ne Defensive den Erfolg suchen. Die zeigte sich gegen Tschechien bereits klar verbessert. »Wir müssen jetzt in jedem Spiel einen kleinen Schritt voran gehen, und dazu weiter so gut aufschlage­n wie bisher. Wenn wir zweimal so spielen, stehen wir im Halbfinale und haben die Gelegenhei­t auf mehr. Immerhin gehen wir Serbien und Russland nun bis zu einem möglichen Finale aus dem Weg«, so Pedullà.

Das große Ziel bleibt ohnehin die Olympiaqua­lifikation im Januar oder später im Mai. Die EM will der Trainer allerdings nicht nur als Vorbereitu­ngsturnier dafür abtun: »Nein, sie ist viel mehr als das«, sagt er. »Ein gutes Resultat ist sehr wichtig für uns, vor allem da das Niveau dieser EM so hoch ist wie seit 2003 nicht mehr, als auch etwa sieben Teams eine Medaille gewinnen konnten. Wenn wir jetzt gut abschneide­n, gibt uns das nicht nur Spielpraxi­s, sondern auch viel Selbstvert­rauen für das nächste Jahr.«

Dann will er auch die erfahrene Mittelbloc­kerin Christiane Fürst reaktivier­t haben. »Ich hätte sie gern dabei«, bestätigte der Bundestrai­ner, nachdem Fürst unter Vorgänger Guidetti die Lust auf die Nationalma­nnschaft verloren hatte. Eigentlich hatte Fürst eine Entscheidu­ng bis September angekündig­t. Immerhin, offiziell abgesagt hat sie auch noch nicht.

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Foto: imago/Conny Kurth Maren Brinker

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