Der Sprung aus dem Fenster
Urteile zu Arbeitsunfall, Unfallschutz und Berufskrankheit
Kommt es bei einer Neckerei oder Spielerei zwischen Erwachsenen am Arbeitsplatz zu Verletzungen, so gelten diese nicht als Arbeitsunfall. Das trifft auch zu, wenn ein Mann aus dem Fenster springt, um einer Spritzpistole auszuweichen. So entschied das Landessozialgericht Hessen (Az. L 3 U 47/13) und wies die Forderung des Verletzten zurück.
Wie die telefonische Rechtsberatung der Deutschen Anwaltshotline (D-AH) berichtet, nahm ein 27-jähriger Mann an einer Umschulung teil. Während einer Unterrichtsstunde in einem Computerraum im ersten Stock verließ der Lehrer das Zimmer und die Schüler sollten ihre Aufgaben ohne Aufsicht bearbeiten.
Eine Mitschülerin hatte eine Spritzpistole dabei und bespritzte die anderen mit Wasser. Der Mann sprang kurzerhand aus dem Fenster auf das Vordach, um dem Wasserstrahl zu entgehen. Dieses Vordach war aber lediglich aus Wellblech und hielt das Gewicht des Schülers nicht aus. Er stürzte und brach sich die Ferse. Den Vorfall wollte er dann als Arbeitsunfall geltend machen.
Das sei allerdings nicht möglich, entschied das Landessozialgericht Hessen. Es fehle der Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall. »Nur wenn der Unfall im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit passiert, spricht man von einem Arbeitsunfall«, erklärt Rechtsanwalt Detlef Vollmari die gesetzliche Grundlage. Der Vorfall hatte nichts mit der Arbeit zu tun und widerspreche sogar den betrieblichen Interessen.
Die Entscheidung sei auch vom Alter des Mannes abhängig, so das Gericht. Bei einem Kind oder Teenager sei der Drang zum Spielen und Imponieren noch nachvollziehbar. Für einen 27-jährigen Mann sei ein so pubertäres Verhalten aber höchst untypisch. D-AH/nd »Müssen« Arbeitnehmer mal, stehen sie in den betrieblichen Toilettenräumen nicht unter dem Schutz der Unfallversicherung. Denn das Verrichten der Notdurft ist eine Tätigkeit, die nicht dem Arbeitgeberinteresse dient, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (Az. L 6 U 526/13) in einem am 21. August 2015 veröffentlichten Urteil. Erst wenn die Außentür der Toilettenräume durchschritten wird, greife der Unfallversicherungsschutz wieder.
Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die während ihrer Arbeitszeit auf die Toilette musste. Als sie nach ihrer Notdurft den Toilettenraum verlassen wollte, öffnete im selben Moment eine Kollegin die Tür. Es kam zu einer Verletzung des Handgelenks.
Die Frau wurde krankgeschrieben und erhielt über ein Jahr Verletztengeld. Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab.
Zu Recht, urteilte das Landessozialgericht Baden-Württemberg. Die Verrichtung der Notdurft während der Arbeitszeit stehe nicht unter dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz. Der unversicherte Bereich umfasse dabei den gesamten Aufenthalt in den Toilettenräumlichkeiten. epd/nd Eine Krankenschwester, die sich mit Hepatitis C angesteckt hat, kann diese Infektion als Berufskrankheit anerkennen lassen. Das ist der Fall, wenn wahrscheinlich ist, dass sie sich bei der Arbeit infiziert hat. Zu diesem Urteil kam das Landessozialgericht Hessen (Az. L 3 U 132/11), wie die telefonische Rechtsberatung der Deutschen Anwaltshotline (D-AH) berichtet.
Eine Krankenschwester in Deutschland arbeitete viele Jahre lang in einem Plasmazentrum. Sie führte dabei regelmäßig Blut- und Blutplasmaspenden durch. Sechs Jahre später stellte ein Arzt zufällig fest, dass bei der mittlerweile Steuerfachangestellten die Leber stark vergrößert war. Ein Bluttest ergab, dass sich die ehemalige Krankenschwester mit Hepatitis C angesteckt hatte.
Wegen ihrer früheren Tätigkeit wollte sie diese Infektion bei der Berufsgenossenschaft als Berufskrankheit geltend machen. Die hielt es allerdings für unwahrscheinlich, dass sich die Frau bei der Arbeit mit den Blutspendern angesteckt hatte und lehnte den Antrag ab.
Das Landessozialgericht Hessen erklärte die Ansprüche der ehemaligen Krankenschwester für berechtigt. Die Krankheit übertrage sich hauptsächlich über Blut und beim ständigen Umgang mit Nadeln seien gelegentliche Verletzungen, bei denen es zu einem Blutaustausch kommt, nicht auszuschließen. Anhand von Statistiken errechnete ein Gutachter, dass die damalige Krankenschwester während der fünfjährigen Arbeit mit den Blutspendern mit bis zu 48 Infizierten Kontakt hatte.
»Damit war das Ansteckungsrisiko erheblich höher als für jemanden, der nicht mit Blut zu tun hat, und ging eindeutig von ihrem Beruf aus«, erklärt Rechtsanwalt Detlef Vollmari von der Deutschen Anwaltshotline die gesetzliche Grundlage. Dass sich die Frau privat angesteckt hatte, hielt das Gericht für äußerst unwahrscheinlich. Dagegen sprechen die negativen Testergebnisse ihres Mannes und ihres Sohnes. D-AH/nd