Flüchtlinge: Eilverfahren und Sonderwege
De Maizière will Flughafenverfahren an Landgrenzen / München erwägt Alleingänge / AfD legt zu
Kippt die Stimmung gegenüber Flüchtlingen? De Maizière und Seehofer scheinen darauf zu setzen, die AfD könnte am Ende profitieren. Die Zahl der Anschläge wächst derweil weiter.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière will die Asylverfahren in Deutschland drastisch verschärfen. Im »Inforadio« des rbb sagte er am Mittwoch, sein Ministerium bereite ein Gesetz vor, das eine Übertragung der sogenannten Flughafenverfahren an die Landgrenzen regeln soll. »Man kann schon jetzt jemand am Flughafen festhalten, prüfen, ob sein Asylantrag offensichtlich unbegründet ist und ihn zurückschicken.« Solche Verfahren dürften die EUStaaten auch an ihren Grenzen durchführen, so Maizière, »und das wird jetzt sicher diskutiert«.
Auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer drängt auf neue Maßnahmen gegen Flüchtlinge. Am Rande einer Fraktionssitzung sprach er am Mittwoch von Konsensgesprächen »von den Ärzteverbänden bis zu den Kirchen«. Für den 7. Oktober plant er einen Kongress in Ingolstadt, zu dem alle Landräte und Oberbürgermeister sowie weitere Kommunalpolitiker kommen sollen. Die »zwei Säulen« der bayerischen Politik sind demnach eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen und die Integration derjenigen, die dauerhaft bleiben. In diesem Sinn wolle er einen »Konsens« erzielen – innerhalb Bayerns zumindest.
Am Dienstag hatte Seehofer gedroht, man könne auch im Alleingang »Notmaßnahmen« ergreifen. Aus Kabinettskreisen hatte es geheißen, es könnten etwa Flüchtlinge an der Grenze abgewiesen werden, für die nach EU-Recht ein anderer Staat zuständig wäre. Zudem würde erwogen, Flüchtlinge einfach in an- dere Bundesländer weiterzuschicken, statt sie in Bayern zu registrieren.
Im Gefolge der Flüchtlingskrise ist die zuletzt dümpelnde AfD wieder im Aufwind. Das Forsa-Institut ermittelte im Auftrag von »Stern« und »RTL«, dass die Rechtspartei in Bayern derzeit bei etwa sechs Prozent Zustimmung liege. Demnach hat die AfD in Ostdeutschland von sieben auf elf Prozent zugelegt. Forsa-Chef Manfred Güllner stellte einen Zusammenhang mit dem Agieren Seehofers her: »Mit seinen Attacken gegen Kanzlerin Angela Merkel und ihre Flüchtlingspolitik hat der bayerische CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer offenbar die Ausländerfeindlichkeit – und damit das Kernthema der AfD – wieder salonfähig gemacht«, sagte Güllner gegenüber dem »Stern«.
Derweil stieg auch die Zahl von Übergriffen gegen Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte wei- ter deutlich an: Im zweiten Quartal dieses Jahres wurden 88 rechte Straftaten gegen Asylunterkünfte verübt. Im dritten Quartal des vergangenen Jahres waren es noch 30. Allerdings kritisierten Abgeordnete der Linksfraktion, welche die antifaschistische Initiative apabiz mit einer qualitativen Auswertung der Zahlen beauftragt hatten, dass die offiziellen Statistiken lückenhaft seien.