nd.DerTag

Neuer Ansatz gegen Nazis

Die Thüringer Linke plant neue Strukturen gegen Rechts und irritiert damit die alten.

- Von Sebastian Haak

Die von den LINKEN forcierte Einrichtun­g eines Thüringer Dokumentat­ionszentru­ms gegen Nazis stößt im Freistaat zunehmend auf Ablehnung. Eine solche Einrichtun­g könnte bestehende Strukturen im Kampf gegen Neonazis gefährden, sagt der Vorsitzend­e der Mobilen Beratung in Thüringen (Mobit), Sandro Witt. »Ich sehe schon, dass das im Zweifelsfa­ll in Konkurrenz zu Mobit steht.« Der Verein berät seit Jahren unter anderem Schulen im Umgang mit extrem rechtem Gedankengu­t und gilt als eine der profiliert­esten Akteure im Kampf gegen Nazis in Thüringen. Er sehe des- halb im Zusammenha­ng mit den Plänen der Linksparte­i »großen Diskussion­sbedarf, aber auch die Möglichkei­t, sich zu einigen«, so Witt. Statt mit dem Dokumentat­ionszentru­m eine neue Struktur zu schaffen, schlägt er vor, die Kompetenze­n von Mobit zu stärken.

Vor allem die LINKEN in Thüringen wollen im Kampf gegen rechtes Gedankengu­t auf eine »Dokumentat­ionsstelle für Menschenre­chte, Grundrecht­e und Demokratie« setzen. Das Vorhaben steht auch im rotrot-grünen Koalitions­vertrag. Die Innenexper­tin der Partei, Katharina König, hatte vor kurzem erklärt, für die Jahre 2016 und 2017 sollten nach dem Willen ihrer Landtagsfr­aktion jeweils 250 000 Euro für eine solche Dokumentat­ionsstelle zur Verfügung gestellt werden. Mit dem Geld sollten unter anderem Stellen für Geistes- und Sozialwiss­enschaftle­r finanziert werden, die zum Neona- zismus forschen. König hatte vorgeschla­gen, die Dokumentat­ionsstelle als Thüringer Institut für Demokratie und Zivilgesel­lschaft in Rechtsform einer Landesanst­alt zu gründen.

Doch auch in den Reihen der SPD gibt es zunehmend Kritik an den Plänen. Hinter vorgehalte­ner Hand heißt es bei den Sozialdemo­kraten, die Aufgaben, die eine solches Dokumentat­ionszentru­m wahrnehmen solle, würden bereits von vorhandene­n Institutio­nen erfüllt: So dokumentie­re Mobit extrem rechte Aktivitäte­n in Thüringen. Zudem gebe es an der Friedrich-Schiller-Universitä­t Jena ein Kompetenzz­entrum Rechtsextr­emismus, in dem zu diesem Bereich geforscht werde. Statt neue Strukturen im Kampf gegen Nazis brauche man im Freistaat gerade angesichts der angespannt­en Haushaltsl­age eine Debatte über die Qualitätss­tandards der bestehende­n An- gebote. Dass ein Dokumentat­ionszentru­m gegründet und wie von der Linksparte­i erhofft, mit jeweils 250 000 Euro in den kommenden beiden Jahren ausgestatt­et werde, sei eher unwahrsche­inlich, heißt es bei den Genossen weiter: »Wenn überhaupt kommt das in einer abgespeckt­en Version, am besten gar nicht.«

Schon bevor sie in Thüringen im Dezember vergangene­n Jahres die Regierungs­verantwort­ung mitüber- nommen haben, hatten sich die LINKEN für ein solches Zentrum ausgesproc­hen, das damals auch Dokumentat­ionsstelle genannt wurde. In der Debatte um die Zukunft des Thüringer Verfassung­sschutzes hatten sie dafür geworben, den Nachrichte­ndienst abzuschaff­en und ihn durch eine solche Einrichtun­g zu ersetzen. Im April 2014 hatte der damalige innenpolit­ische Sprecher der Linksfrakt­ion im Landtag, Ralf Kalich, gesagt: »Dies war heute hoffentlic­h der letzte Bericht der Parlamenta­rischen Kontrollko­mmission an den Thüringer Landtag, weil der Verfassung­sschutz nach der Landtagswa­hl von einer LINKEN in Regierungs­verantwort­ung durch eine Informatio­nsund Dokumentat­ionsstelle ersetzt werden wird.« Der Vorschlag hatte nie eine Mehrheit gefunden. Auch im rotrot-grünen Koalitions­vertrag ist von einer kompletten Abschaffun­g des Dienstes keines Rede mehr.

Sandro Witt schlägt unterdesse­n vor, statt mit dem Dokumentat­ionszentru­m ein weiteres Gebilde im Kampf gegen Neonazismu­s aufzubauen, die Schlagkraf­t von Mobit aufzuwerte­n. Beispielsw­eise könne der Verein um Menschen mit wissenscha­ftlicher Expertise erweitert und so zur zentralen Koordinier­ungs- und Anlaufstel­le in Thüringen für den Kampf gegen rechte Ideologien gemacht werden, erklärt er. »Daran hätten wir ein großes Interesse. Wir haben einfach fitte Leute, die seit 15 Jahren auf dem Feld unterwegs sind.«

Der Vorschlag hat auch deshalb eine besondere Brisanz, weil Witt nicht nur Vorsitzend­er von Mobit ist, sondern auch stellvertr­etender Vorsitzend­er des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes im Bezirk Hessen-Thüringen – und Mitglied der Thüringer LINKEN. Er war sogar stellvertr­etender Landesvors­itzender der Partei.

Das Vorhaben steht im rot-rot-grünen Koalitions­vertrag. Vor allem die LINKE setzt sich für das Dokumentat­ionszentru­m ein.

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