Boliviens Neugründung
Drei Pfeiler für einen neuen plurinationalen Staat
»Wir mussten 180 Jahre warten, um Bolivien neu zu gründen, in dem alle originären Völker die gleichen Rechte haben.« So beschreibt Boliviens Präsident Evo Morales die neue Magna Charta Boliviens, die neue Verfassung des südamerikanischen Andenstaats. Diese neue Verfassung ist der wichtigste der drei Pfeiler, die Morales bei seinem Amtsantritt 2006 zur Neugründung Boliviens benannt hatte: neben einer Landreform und der Verstaatlichung zentraler Wirtschaftssektoren.
Am 25. Januar 2009 stimmten rund 90 Prozent der wahlberechtigten Bolivianer über eine neue Verfassung und über eine Neuregelung des Großgrundbesitzes ab. Die Verfassung wurde erwartungsgemäß angenommen, allerdings nur mit 61,4 Prozent. Für Regierungsanhänger stellte das eine Überraschung dar, denn durch die Einbeziehung der Autonomierechte in den Verfassungstext erwarteten sie eine wesentlich höhere Zustimmung zur Verfassung.
Über 70 Prozent stimmten für die Reduzierung des Großgrundbesitzes auf 5000 Hektar. Dies waren mehrheitlich diejenigen, die auch für die Verfassung gestimmt hatten. Laut des Nationalen Agrarreforminstituts (INRA) wurden in der Ära Morales bis 2013 134 Millionen Acres Land verteilt, verglichen mit lediglich 23 Millionen Acres von 1996 bis 2005 unter den vorangegangenen neoliberalen Regierungen. Ein Acre entspricht 4046,9 m², ein Hektar 10 000 m².
Für die Neugründung Boliviens als plurinationaler, sozialistischer und kommunitärer Staat strebt Morales und die regierende Bewegung zum Sozialismus (MAS) mittelfristig eine Abkehr vom Kapitalismus an. Die auf indigenen Weltanschauungen beruhende Vision vom Q'amiri (Guten Leben) mit einem Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur ist freilich noch weit von ihrer Realisierung entfernt. Gelungen ist bisher eine deutliche soziale Besserstellung der Marginalisierten innerhalb des bestehenden, auf Rohstoffabbau und -export setzenden tradierten Wirtschaftsmodells. Wie in anderen Ländern gibt es auch in Bolivien lokalen Widerstand gegen den Rohstoffabbau, der mit Konflikten zwischen der Bevölkerung – oft aus der MAS-Basis – und der Regierung einhergeht.