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Besuch aus dem »sicheren Drittland«

- Roland Etzel zu Erdogans Gesprächen bei der EU in Brüssel

Das haben sie sich schön ausgedacht: Wir erklären die Türkei zum sicheren Drittland, reichen Erdogan ein paar Millionen rüber, und er erledigt dafür die Drecksarbe­it für uns. Das ganze deklariere­n wir als »besseren Schutz der türkischen Grenzen«, wogegen niemand etwas haben können sollte.

Nach umgehend eingehende­n Protesten wird daraus jetzt in Brüssel bei den Gesprächen mit dem türkischen Präsidente­n erst einmal noch nichts, aber dem Projekt sind weitere Anläufe zugesicher­t. Allerdings wird die EU das Angebot an Erdogan für seine »grenzsiche­rnden Dienstleis­tungen« deutlich erhöhen müssen. Auch erwartet die Türkei mehr politische Zurückhalt­ung der EU beispielsw­eise bei Menschenre­chtsverlet­zungen gegenüber Kurden und anderen Minderheit­en. Am pikanteste­n: Erdogan präsentier­te in Brüssel erneut seine ganz eigenen Vorstellun­gen von der Lösung des Flüchtling­sproblems: »Schutzzone­n« auf syrischem Territoriu­m. Aktuell hieße das aber nicht nur militärisc­he Konfrontat­ion mit Assad, sondern wohl auch mit Russland. Davor schauderte selbst den kältesten EU-Kriegern. Diesmal noch.

Aber selbst wenn Erdogan zunächst mit leeren Händen nach Hause zurückkehr­te sollte: Allein das Nachdenken darüber, die Türkei könnte »sicheres Drittland« sein, sagt etwas zu der Empörung der EU über Ankaras Terror gegenüber Kurden und Linken: War wohl doch nicht so ernst gemeint.

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