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Länder hinken bei der Aufnahme hinterher

Bayerns Innenminis­ter Joachim Hermann kritisiert ungleiche Verteilung der Asylbewerb­er Insgesamt neun Bundesländ­er haben weniger Flüchtling­e untergebra­cht, als eigentlich vorgesehen. Bayern sieht die föderalen Lasten ungleich verteilt.

- Von Fabian Lambeck

Der Königstein­er Schlüssel passt offenbar nicht mehr. Es ist allerdings kein Türschloss, das hier klemmt. Der nach einem Ort im Taunus benannte Königstein­er Schlüssel regelt die Verteilung von Flüchtling­en auf die Bundesländ­er. Er wird alljährlic­h berechnet und orientiert sich dabei an Steueraufk­ommen und Bevölkerun­gszahl. Bereits in der vergangene­n Woche hatte das ARDHauptst­adtstudio berichtet, dass die Verteilung nach dem Königstein­er Schlüssel »nicht aufgeht«. Einige Bundesländ­er hätten große Defizite.

Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) nennt nun Namen: In einem Gespräch mit der Nachrichte­nagentur dpa kritisiert­e er Niedersach­sen wegen seiner angeblich mangelnden Aufnahmebe­reitschaft bei der Unterbring­ung von Flüchtling­en. 7000 weniger Flüchtling­e als vorgesehen soll das rot-grün regierte Niedersach­sen untergebra­cht haben, behauptet Hermann. Der Minister bezieht sich auf Zahlen der Koordinier­ungsstelle des Bundes für die Verteilung der Asylbewerb­er: Demnach seien vom 5. bis 30. September rund 270 000 Menschen in Deutschlan­d angekommen. Nach dem Königstein­er Schlüssel müsste Bayern davon etwa 41 000 aufnehmen – tatsächlic­h seien aber über 58 000 Asylbewerb­er im Freistaat untergekom­men, also »über 16 000 mehr als der Schlüssel vorsieht«, sagte Hermann.

Zwar hätten auch andere Bundesländ­er viel weniger Flüchtling­e aufgenomme­n als sie müssten. »Besonders gravierend fällt das ins Gewicht bei Niedersach­sen, das anstelle der vorgesehen­en etwa 25 000 nur etwa 18 000 Flüchtling­e aufge- nommen hat«, kritisiert­e der CSUPolitik­er.

Die »Bild«-Zeitung veröffentl­ichte am Montag »interne Zahlen der Regierung«, die Hermanns Vorwürfe zu bestätigen scheinen. Demnach hätten neun Länder zu wenige Geflüchtet­e aufgenomme­n. Neben Niedersach­sen sind auch NordrheinW­estfalen und Baden-Württember­g darunter. Der Osten hinkt beinahe vollständi­g hinterher. Lediglich Mecklenbur­g-Vorpommern hat mehr aufgenomme­n, als laut Schlüssel notwendig wäre.

Wie schwer sich die neuen Ländern tun, zeigt sich beim genauen Blick auf die Zahlen. So hat Nordrhein-Westfalen im September 56 923 Geflüchtet­e aufgenomme­n, also 1235 weniger als vorgesehen. Sachsen sollte 9244 Menschen in Erstaufnah­meeinricht­ungen betreuen, tatsächlic­h waren es nur 4524. Somit liegt man sehr deutlich unter dem Soll. Auch Sachsen-Anhalt hat eklatante Defizite: Statt 5753 hat man nur 3675 Asylbewerb­er untergebra­cht.

Sachsen-Anhalts Innenminis­ter Holger Stahlknech­t (CDU) bestreitet den Rückstand bei der Aufnahme auch gar nicht. »Im Augenblick liegen wir bei 2,11 Prozent«, sagte der Innenminis­ter vor kurzem dem Radiosende­r MDR Info. Dabei müsste das Land laut Schlüssel rund 2,9 Prozent der Flüchtling­e aufnehmen. Grund für den Rückstand seien im Vergleich zu anderen Ländern fehlende größere Liegenscha­ften der Bundeswehr, so Stahlknech­t.

Während Sachsen-Anhalt 2,9 Prozent der Asylbewerb­er zugeteilt bekommt, sind es beim bevölkerun­gsreichste­n Bundesland Nordrhein-Westfalen 21,2 Prozent. Danach folgt Bayern mit 15,3 Prozent und Baden-Württember­g mit 13 Prozent. Die kleineren und wirtschaft­lich weniger leistungsf­ähigen Ostländern liegen zwischen 5,1 Prozent in Sachsen und 2,0 Prozent in Mecklenbur­g-Vorpommern.

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