Länder hinken bei der Aufnahme hinterher
Bayerns Innenminister Joachim Hermann kritisiert ungleiche Verteilung der Asylbewerber Insgesamt neun Bundesländer haben weniger Flüchtlinge untergebracht, als eigentlich vorgesehen. Bayern sieht die föderalen Lasten ungleich verteilt.
Der Königsteiner Schlüssel passt offenbar nicht mehr. Es ist allerdings kein Türschloss, das hier klemmt. Der nach einem Ort im Taunus benannte Königsteiner Schlüssel regelt die Verteilung von Flüchtlingen auf die Bundesländer. Er wird alljährlich berechnet und orientiert sich dabei an Steueraufkommen und Bevölkerungszahl. Bereits in der vergangenen Woche hatte das ARDHauptstadtstudio berichtet, dass die Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel »nicht aufgeht«. Einige Bundesländer hätten große Defizite.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nennt nun Namen: In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa kritisierte er Niedersachsen wegen seiner angeblich mangelnden Aufnahmebereitschaft bei der Unterbringung von Flüchtlingen. 7000 weniger Flüchtlinge als vorgesehen soll das rot-grün regierte Niedersachsen untergebracht haben, behauptet Hermann. Der Minister bezieht sich auf Zahlen der Koordinierungsstelle des Bundes für die Verteilung der Asylbewerber: Demnach seien vom 5. bis 30. September rund 270 000 Menschen in Deutschland angekommen. Nach dem Königsteiner Schlüssel müsste Bayern davon etwa 41 000 aufnehmen – tatsächlich seien aber über 58 000 Asylbewerber im Freistaat untergekommen, also »über 16 000 mehr als der Schlüssel vorsieht«, sagte Hermann.
Zwar hätten auch andere Bundesländer viel weniger Flüchtlinge aufgenommen als sie müssten. »Besonders gravierend fällt das ins Gewicht bei Niedersachsen, das anstelle der vorgesehenen etwa 25 000 nur etwa 18 000 Flüchtlinge aufge- nommen hat«, kritisierte der CSUPolitiker.
Die »Bild«-Zeitung veröffentlichte am Montag »interne Zahlen der Regierung«, die Hermanns Vorwürfe zu bestätigen scheinen. Demnach hätten neun Länder zu wenige Geflüchtete aufgenommen. Neben Niedersachsen sind auch NordrheinWestfalen und Baden-Württemberg darunter. Der Osten hinkt beinahe vollständig hinterher. Lediglich Mecklenburg-Vorpommern hat mehr aufgenommen, als laut Schlüssel notwendig wäre.
Wie schwer sich die neuen Ländern tun, zeigt sich beim genauen Blick auf die Zahlen. So hat Nordrhein-Westfalen im September 56 923 Geflüchtete aufgenommen, also 1235 weniger als vorgesehen. Sachsen sollte 9244 Menschen in Erstaufnahmeeinrichtungen betreuen, tatsächlich waren es nur 4524. Somit liegt man sehr deutlich unter dem Soll. Auch Sachsen-Anhalt hat eklatante Defizite: Statt 5753 hat man nur 3675 Asylbewerber untergebracht.
Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) bestreitet den Rückstand bei der Aufnahme auch gar nicht. »Im Augenblick liegen wir bei 2,11 Prozent«, sagte der Innenminister vor kurzem dem Radiosender MDR Info. Dabei müsste das Land laut Schlüssel rund 2,9 Prozent der Flüchtlinge aufnehmen. Grund für den Rückstand seien im Vergleich zu anderen Ländern fehlende größere Liegenschaften der Bundeswehr, so Stahlknecht.
Während Sachsen-Anhalt 2,9 Prozent der Asylbewerber zugeteilt bekommt, sind es beim bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen 21,2 Prozent. Danach folgt Bayern mit 15,3 Prozent und Baden-Württemberg mit 13 Prozent. Die kleineren und wirtschaftlich weniger leistungsfähigen Ostländern liegen zwischen 5,1 Prozent in Sachsen und 2,0 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern.